Abfall wird zu Biogas

Was wird eigentlich aus unserem Müll? Wer seinen Saure Sahne-Becher, wie es ihm geheißen, ordentlich auswäscht, bevor er in den Gelben Sack kommt, glaubt möglicherweise, dass er sich schon bald mit neuem Inhalt im Supermarktregal wiederfindet oder sich zumindest per „Downcycling“ zur Parkbank verwandelt. Jetzt nicht sauer sein: In der Regel wird der Becher wohl eher schlicht der „thermischen Verwertung“ zugefügt – sprich: Er wird verbrannt. Egal ist dabei, ob in der Ecke noch ein wenig Sahne klebt. Dem Restmüll geht es da nicht anders. Er nimmt gar den selben Weg wie der gereinigte und sortierte Grüne Punkt-Abfall, der zur Temperaturregelung in der Verbrennungsanlage als wertvoller Brennstoff den zuweilen zu feuchten Hausmüll beim Flammen unterstützt. Wenigstens Altpapier und Glas erleben dadegen ein echtes Recycling. Doch was wird aus dem Inhalt der Braunen Tonne?

Die in Osthessen anfallende Bio-Abfälle werden neuerdings in Energie umgewandelt und die nährstoffreichen Reststoffe werden sogar zu Düngemitteln. Auch Landwirte müssen nicht mehr ihre Gülle zum Ärger der geruchsbelästigten Anwohner auf die Felder sprühen.
Die Biothan GmbH, eine Tochter der RhönEnergie Fulda, der Gas- und Wasserversorgung Osthessen sowie der Stadt Fulda hat bei Kleinlüder am Finkenberg eine hochmoderne Verwertungsanlage gebaut. Diese schlägt gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe. Das ehemals von den US-Streitkräften genutzte Areal dient nunmehr nicht nur der Entsorgung von bestimmten Abfällen, sondern auch der Energieerzeugung und Düngerproduktion.

2011 fand dazu der erste Spatenstich statt und nun sind die Verarbeitungssysteme komplett in Betrieb. In der Anlage wurde in der ersten Ausbaustufe die Nassvergärung errichtet. Aus 21.000 Tonnen Lebensmittelabfällen und 11.000 Tonnen Gülle wurden zunächst 23 Millionen Kilowattstunden Bio-Erdgas produziert. Das entspricht dem Bedarf von etwa 1.200 Haushalten. Zudem fielen als Nebenprodukt 25.000 bis 27.000 Tonnen hochwertiger Landwirtschaftschaftsdünger an. Die Biothan GmbH kommt sogar bei den landwirtschaftlichen Betrieben, mit denen sie entsprechende Verträge abgeschlossen hat, vorbei und holt die Gülle ab. Zum Dank bekommen die Bauern veredelten und keimfreien Flüssigdünger zurück. Den die Biothan GmbH sogar noch kostenlos auf den Feldern ausbringt.
In einer zweiten Ausbaustufe wurde die Trockenvergärungsanlage in Angriff genommen. Deren Bau war planungsgemäß im Sommer 2013 abgeschlossen. Seitdem wird der Inhalt der Braunen Tonne des Landkreises Fulda in Bio-Erdgas umgewandelt. Aus 30.000 Tonnen Biomasse aus Gewerbeabfällen (zum Beispiel Bäckerreistesten) und der „Biotonne“ werden weitere 24 Millionen Kilowattstunden Bio-Erdgas. Rechnerisch können circa 2.400 Haushalte mit Bio-Erdgas aus dieser Anlage versorgt werden.
Und so funktionieren die beiden angewendeten Verfahren: Nach der Abfallannahme wird eine optimierte Mischung in der Nassvergärungsanlage zusammengebracht. In der Nassfermentation entsteht aus den organischen Reststoffen bei circa 40 Grad Celsius und Luftabschluss durch mikrobiellen Abbau Biogas, welches ein Gemisch aus Methan („Erdgas“) und Kohlenstoffdioxid ist. Nach der Vergärung wird der sogenannte Gärrest in einer Pasteurisierungsanlage bei mindestens  70 Grad Celsius für eine Stunde erhitzt, um Keime abzutöten. Übrig bleibt ein nährstoffreicher, flüssiger Dünger. Diesen bekommen die Bauern vom Biogasunternehmen wie beschrieben anschließend kostenlos auf die Felder gefahren. Damit ist also kein Geld zu verdienen. Das Biogas wird jedoch in einer Gasaufbereitungsanlage vom Kohlenstoffdioxid (CO2) gereinigt, sodass nahezu reines Methan („Bio-Erdgas“) entsteht. Dieses wird anschließend in das regionale Hochdrucknetz eingespeist.

In der Trockenvergärungsanlage findet eine Aufspaltung in Biogas, Flüssigdünger und Feststoffe statt. Durch Absieben wird die flüssige Phase, von den Feststoffen getrennt. Die Feststoffe werden für eine Woche mit Luft stabilisiert („aerobe Rotte“) und abschließend einer Kompostierung zugeführt. In großen Hallen türmt sich das entsprechende Produkt dieses Prozesses auf: Tausende von Tonnen nährstoffreichen Trockenmaterials werden über Wochen immer wieder umgeschüttet, von Fremdstoffen befreit und dabei zu hochwertigem Kompost, der in Gärten und Forst eingesetzt werden kann. Auch der flüssige Gärrest wird wieder zu Dünger.
Durch die Biothan-Anlagen bei Kleinenlüder wird demnach für die Biogas-Produktion keine landwirtschaftliche Nutzfläche für so genannte nachwachsende Rohstoffe benötigt. Biothan arbeitet bei der Erzeugung von Bio-Erdgas ausschließlich mit organischen Abfallstoffen. Dabei kann die erzeugte Energie zu annähernd 100 Prozent genutzt werden, weil sie zu Bio-Erdgas aufbereitet wird, das ins bestehende Erdgasnetz eingespeist werden kann.
Während Sonnen- und Windenergie bekanntlich von Tageszeit und Wetterlage abhängen, ist dieser regenerative Energieträger ein besonders wertvoller Bestandteil des Energiemixes der gegenwärtigen und vor allem zukünftigen Energieversorgung. Schließlich lässt er sich dann, wenn weder Sonne scheint noch Wind weht, zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit einsetzen. Die Prozesse erzeugen keine Lärm- oder Geruchsemissionen, denn die Anlagen bei Kleinlüder laufen komplett in geschlossenen Räumen und Behältern ab. Allerdings müssen bei der Bevölkerung letzte Bedenken zerstreut werden. Wie Dr. Jürgen Wiese, der Geschäftsführer der Biothan GmbH berichtet, stimmen alle Laborwerte und die Resteerzeugnisse mit den gesetzlichen Vorgaben überein bzw. unterschreiten die Grenzwerte deutlich. Das klingt zukunftsweisend!        Text & Fotos: Timo Schadt

in36.de

 

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