Staatsminister Michael Roth zu Trump und europäischem Populismus

Michael Roth
Michael Roth. Foto: Michael Farkas

printzip Für die meisten aufgeklärten Menschen war der Wahlsieg Trumps ein großer Schock. Die Politik muss natürlich pragmatisch damit umgehen. Nun gibt es viele Stimmen, die als Rezept von „mehr Europa“ sprechen. Ist dies in Zeiten des auch in Europa gestärkten Rechtspopulismus, verbunden mit regelrecht ekelhaften Nationalismen, überhaupt möglich?
Michael Roth Die Europäische Union ist und bleibt unsere Lebensversicherung, gerade in Zeiten der Krise. Wir sind alle verdammt kleine Fische in einem ziemlich großen Teich. Das muss uns klar sein - wenn wir unsere Zukunft, die Globalisierung gestalten wollen, geht das nur gemeinsam im Team der Europäischen Union. Die beste Antwort auf den auch in Europa grassierenden nationalistischen Populismus ist es, die Lebensbedingungen der Europäerinnen und Europäer konkret zu verbessern. Wir müssen liefern.

printzip Trump hat ja nun bereits ein wenig Kreide gefressen. Als zukünftiger mächtigster Mann der Welt muss er scheinbar nicht mehr den Populisten geben. Welche Strategie ist Ihrer Meinung nach angesagt? Soll Europa ihm die Hand ausstrecken, ihm den Rücken zukehren und abwarten, was dann von hinten kommt oder basierend auf den Aussagen des Wahlkämpfers Trump ihm gegenüber angriffslustig sein?
Michael Roth Geschlossenheit und Selbstbewusstsein sind jetzt gefragt. Die transatlantischen Beziehungen beruhen in erster Linie auf gemeinsamen Werten, nicht auf Macht. Die Europäer müssen hier mit einer Stimme sprechen, wenn sie ihre wertebasierten Angebote unterbreiten. Es wird darum gehen, wie Verantwortlichkeiten gemeinsam getragen werden, sei es bei der Flüchtlingsfrage, der Lage im Nahen und Mittleren Osten oder in Afrika. Wir müssen aber auch die Vereinigten Staaten daran erinnern, dass wir sie als konstruktiven Partner zur Lösung internationaler Konflikte dringend brauchen.

printzip Vereinigte Staaten von Europa und der Aufbau einer europäischen Streitkraft werden nun mehr denn je diskutiert. Wird der Wahlausgang in den USA nicht möglicherweise sogar überbewertet und verlangt es seitens der Europäer gar nicht solch heftiger Reaktionen?
Michael Roth Für beides sehe ich derzeit keine realistische Chance auf Umsetzung. Und ich sehe die Fortführung der europäischen Integration auch nicht als Reaktion auf die US-Wahl. Es liegt vielmehr in unserem ureigenen Interesse, das größte europäische Friedensprojekt, die Europäische Union, nicht Nationalisten und Populisten zum Fraß vorzuwerfen, sondern – im Gegenteil – weiter voranzubringen. 

printzip Deutsche Außenpolitik ist – nicht erst seit kurzem – unter dem designierten Bundespräsidenten Steinmeier sehr moderat und selbst im Umgang mit der im undemokratischen Umbruch befindlichen Türkei alles andere als lautstark. Müssen sich die Bundesregierung und insbesondere das Außenministerium in einer sich immer aggressiver entwickelnden von Nationalismen geprägten Welt als Deutschland mehr behaupten?
Michael Roth Privat setzen wir uns gerne mit Freunden an einen Tisch. In der Diplomatie muss ich aber auch und vor allem mit Menschen das Gespräch suchen, deren Auffassung ich dezidiert nicht teile. Ganz besonders für die Außenpolitik gilt: Konflikte löst man mit Umsicht, Haltung und Beharrlichkeit und nicht mit Schnellschüssen und Geschrei. Unsere Stimme hat Gewicht, weil wir uns mit unseren Partnern abstimmen und überall, wo es nötig ist, nach vernünftigen Kompromissen suchen. Und wir binden auch kleinere Partner mit ein und marschieren nicht blindlings drauf los. Damit haben wir oft Erfolg, aber natürlich nicht immer.

printzip Rechtspopulismus ist bekanntlich kein US-amerikanisches Phänomen. Überall sind die Demagogen von rechts auf die Überholspur gewechselt. Der sogenannte „europäische Geist“ ist offenbar nicht im Stande, sich gegenüber dem in ganz Europa wachsenden Nationalismus durchzusetzen. Wie kann das Ruder herumgerissen werden? Wie ist der nicht erst durch den Brexit sichtbar gewordene Zerfall Europas aufzuhalten?
Michael Roth Die EU mag sich gewaltigen Aufgaben gegenübersehen und ich würde mir von einigen Mitgliedstaaten deutlich mehr Solidarität wünschen, aber ich sehe sie nicht im Zerfall begriffen. Die Lage ist jedoch ernst, keine Frage.  Allen muss wieder klar werden, dass wir nur im Teamspiel vorankommen werden. Und Europa muss wieder als Teil der Lösung und nicht als Teil des Problems begriffen werden. Dazu müssen vor allem die Nationalstaaten ihre Hausaufgaben machen und mehr tun für Bildung und mehr gegen Arbeitslosigkeit. Immer nur nach Brüssel zu schielen und dort die Verantwortung auszumachen wird dabei ganz sicher nicht helfen. 

printzip Gerne wird von Rechtspopulisten mit der Verteidigung christlich abendländischer Werte gegenüber dem alles verdrängenden Islam, also scheinbar religiös argumentiert. Was entgegnen Sie als engagierter Christ und als Politiker?
Michael Roth Sich auf das Christentum zu beziehen und gleichzeitig Menschen in Not auszugrenzen und zurückzuweisen ist einfach absurd! Als Christ übe ich mich in Barmherzigkeit und Nächstenliebe. Das gilt gegenüber Menschen in Not - ohne Ansehen von Religionszugehörigkeit oder Hautfarbe! Ein Blick ins Neue Testament sollte da helfen… 

printzip Die Bundestagswahl rückt näher. Auch in Deutschland sind anti-europäische Demagogen unüberhörbar und es droht der Einzug von Rechtspopulisten in den nächsten Deutschen Bundestag. Welchen Beitrag kann der in der Bundesregierung für Europa zuständige Staatsminister Michael Roth noch leisten, um dies zu verhindern?

Michael Roth Indem wir auch weiterhin für die aus unserer Sicht richtigen Weichenstellungen in Europa werben. Wir brauchen einen  Dreiklang aus sozial ausbalancierter Haushaltspolitik, aus Strukturreformen und aus öffentlichen und privaten Investitionen in Infrastruktur, Innovation und Bildung. Dies hat sich die Europäische Kommission auf Druck von Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten auf die Fahnen geschrieben und das müssen wir konsequent fortsetzen. Wenn wir damit Erfolg haben, wird auch wieder mehr Vertrauen wachsen. Das ist kein einfacher Weg, aber einfache Antworten geben auch nur Populisten. Und es war noch nie eine gute Idee, denen zu trauen.

 

 

Interview: Timo Schadt

erschienen im printzip Ausgabe 12/2016

 

Über Michael Roth

 

Michael Roth ist Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland

1970 in Heringen in Hersfeld-Rotenburg geboren.

1990 Abitur an der Werratalschule Heringen, 1990/91 Zivildienst bei der evangelischen Kirche, 1991-1997 Studium Politologie, Öffentliches Recht, Germanistik und Soziologie an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt/Main, Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Abschluss als Diplom-Politologe, Tätigkeit als Tutor und Mitarbeiter des Zentrums für Nordamerikaforschung an der Universität Frankfurt am Main, 2000-2002 Dozent am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaften an der Freien Universität Berlin.

Seit 1987 Mitglied der SPD, aktiv bei den Jungsozialisten in der SPD, u. a. 1993/95 Stellv. Juso-Bundesvorsitzender, 1996 bis 2015 Vorstandsmitglied des SPD-Bezirks Hessen-Nord, seit 2015 Mitglied des Landesvorstands der SPD Hessen.

Seit 1998 direkt gewählter Bundestagsabgeordneter, Wahlkreis 169 Werra-Meißner – Hersfeld-Rotenburg, 2009 bis Februar 2014 Generalsekretär der SPD Hessen sowie ebenfalls 2009 bis 2014 Sprecher der SPD-Landesgruppe Hessen im Deutschen Bundestag, bis 2013 Europapolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.

Mitglied im Kuratorium der Stiftung „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“.

Seit 2004 Landessynodaler der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Mitglied der Kammer für Öffentliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Seit Dezember 2013 Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt.

Seit 2014 Beauftragter der Bundesregierung für die deutsch-französische Zusammenarbeit, Mitglied im Rundfunkrat der Deutschen Welle, Kuratoriumsmitglied des Instituts für europäische Politik und Vorstandsmitglied des Deutsch-Französischen Instituts Ludwigsburg, Aufsichtsratsvorsitzender des Zentrums für internationale Friedenseinsätze (ZIF), Mitglied im Stiftungsrat der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung, Mitglied des Stiftungsrates Deutsche Stiftung Friedensforschung (DSF).

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