Do
29
Aug
2019
Das printzip-Team war auch 2019 wieder auf dem Open Flair Festival in Eschwege, um die schönsten Momente festzuhalten.
Hier gibt es Fotos vom fünften und letztenTag des Festivals, Sonntag, 11. August 2019
Bullet For My Valentine
Do
29
Aug
2019
Das printzip-Team war auch 2019 wieder auf dem Open Flair Festival in Eschwege, um die schönsten Momente festzuhalten.
Hier gibt es Fotos vom vierten Tag des Festivals, Samstag, 10. August 2019
Publikum bei den Toten Hosen
Mi
21
Aug
2019
Das printzip-Team war auch 2019 wieder auf dem Open Flair Festival in Eschwege, um die schönsten Momente festzuhalten.
Hier gibt es Fotos vom dritten Tag des Festivals, Freitag, 9. August 2019
Fotos Die Fantastischen Vier: Timo Schadt
Mi
21
Aug
2019
Das printzip-Team war auch 2019 wieder auf dem Open Flair Festival in Eschwege, um die schönsten Momente festzuhalten.
Hier gibt es Fotos vom zweiten Tag des Festivals, Donnerstag, 8. August 2019
Mi
21
Aug
2019
Das printzip-Team war auch 2019 wieder auf dem Open Flair Festival in Eschwege, um die schönsten Momente festzuhalten.
Hier gibt es Fotos vom ersten Tag des Festivals, Mittwoch, 7. August 2019
Do
15
Aug
2019
„Emil und die Detektive“, das Stück für Kinder bei den Bad Hersfelder Festspielen 2019, ist ein mitreißendes Musical mit eingängigen Lieder und lustigen Einfällen. Es bietet aber auch eine konsistente Geschichte mit einer richtigen Dramaturgie und ist daher tatsächlich auch für Erwachsene unterhaltend.
Emil Tischbein (Paul Rümann), der mit seiner verwitweten Mutter (Ute Reiber) in der Kleinstadt Neustadt wohnt, fährt alleine mit dem Zug zu seiner Großmutter (Annette Lubosch) und seiner Cousine Pony Hütchen (bei der Premiere gespielt von Paula Gwenuch, bei anderen Vorstellungen teils von Kim Rosner) nach Berlin. Unterwegs klaut ihm der Schurke Grundeis (Tilo Keiner)das Geld, das Emil für die Großmutter mit dabei hat. Als er sich auf der Suche nach dem Dieb in der Großstadt verirrt, helfen ihm Gustinchen (Lara-Luisa Rühl, bei manchen Vorstellungen Diyar Ilhan als Gustav), die Professorin (Lara Hildebrand/ Mira Schäfer) und andere Berliner Kinder. Sie bilden eine geheime Detektiveinheit mit Parolen, Telefonzentrale und allem drum und dran und lassen Grundeis nicht aus den Augen.
Rundum gelungen ist die Aufführung. Vor allem die Kinderdarsteller machen ihre Sache erstaunlich gut. Bei der Premiere am Sonntag gab es begeisterten Applaus und auch Fußtrampeln von den Kindern
und Erwachsenen. Aber ein Darsteller wird am Ende der Premiere von den Kindern im Publikum kräftig ausgebuht: Tilo Keiner (Grundeis). Allerdings ist das ausnahmsweise ein Lob, da er Grundeis
einfach herrlich fies spielt (oder in seiner Solo-Nummer „Ich hasse Kinder“ singt). Mathias Schlung sorgt nicht nur in mehreren Rollen wie als Portier mit französischem Akzent für Lacher, sondern
als eine Art Erzähler (auch durch Gesangsnummern) dafür, dass alle der Handlung folgen können. Zwar geht es um einen Kriminalfall, aber auch um Freundschaft und Familie, zwar ist es auch etwas
spannend, aber durch lustige Momente immer wieder aufgelockert, so dass die Altersempfehlung ab 5 Jahren gut zutreffen sollte.
Die Bühnendeko besteht zu eine großen Teil aus Koffern, die aber kreativ genutzt werden: So sitzen Kinder auf ihnen mit einem imaginären Lenkrad in der Hand und andere schieben sie, um Autos zu
simulieren. Oder es werden aus den Koffern Zugabteile, Hotelrezeption oder Bank errichtet.
Das Musical nach dem berühmten Roman von Erich Kästner stammt von Marc Schubring (Musik), der auch bei der Premiere anwesend war, und Wolfgang Adenberg (Text). Inszeniert wurde es von Rainer
Niermann. Die begleitende Musik wird zwar nicht live gespielt, aber im Ernst: welches Kind wird sich daran groß stören?
Einziger weiterer Kritikpunkt: Das Stück ist fast zu schade, um „nur“ um 9:30 und 15:00 Uhr aufgeführt zu werden.
Weitere Informationen und die Aufführungstermine finden sich unter: https://www.bad-hersfelder-festspiele.de/spielplan/emil-und-die-detektive.html
Fr
02
Aug
2019
Ein einziger Schauspieler steht in einem kleinen Raum in einem Museum auf einer spärlichen Bühne – wird das nicht langweilig? Nein, die gut 60 Minuten, die „NIPPLEJESUS“ dauert, vergehen wie im Flug. Das liegt vor allem an dem unterhaltsamen Stück und an Schauspieler Andrés Mendez.
Die Bad Hersfelder Festspiele nutzen erstmals die Kapelle im Museum für eine Aufführung. Um zu dieser zu gelangen, müssen die Besucher durch den Kapitalsaal des Museums im Stift (dem direkt an die Stiftsruine anschließenden Gebäude), eine kleine Wendeltreppe hinauf und dann durch die Ausstellung im Dachgeschoss, um dem Raum zu gelangen. Etwa 40 Zuschauer haben dort Platz. Herein kommt Andrés Mendez als Museumswärter Dave – und die Aufführung beginnt.
Dave hat den Job als Wächter in einer Kunstgalerie erst seit kurzem. Bekommen hat er ihn nicht, weil er etwa ein großer Kunstkenner wäre, sondern, weil er vorher Türsteher vor einem Nachtclub war und groß, glatzköpfig und tätowiert ist. Seine Aufgabe besteht darin, ein einziges Kunstwerk zu bewachen: ein Bildnis eines gekreuzigten Jesus. Erst wenn man nahe heran geht, entdeckt man, dass er aus Millionen ausgeschnittenen Bildern von Frauenbrüsten gefertigt ist – und so heißt das Kunstwerk konsequenterweise NIPPLEJESUS. Zwar steht es in einem eigenen, mit einem Vorhang getrennten Raum mit einem Warnhinweis, doch regen sich schon nach kurzer Zeit öffentliche Proteste gegen das Bild. Nachdem Dave die Künstlerin kennenlernt - die er erstaunlicherweise nett findet - beginnt er, sich über das Werk Gedanken zu machen. Schließlich verteidigt er es immer engagierter gegen Kritik – und sogar gegen tätliche Angriffe.
NIPPLEJESUS ist lustig, aber nicht platt. Besonders treffend wird es etwa, wenn Dave die Kunstwelt betrachtet. Der auf dem Boden gebliebene, ehrlich arbeitende Familienvater hat zunächst Vorurteile gegenüber der abgehobenen Kunstszene. Durch die Begegnung mit einigen Museumsbesuchern wandelt sich sein Bild. Am Ende stellt sich aber andererseits wieder heraus, dass die Künstlerin mit dem Werk etwas ganz anderes, recht Oberflächliches vorhatte – und dass sie sich noch nicht einmal an Dave erinnern kann. Ist sie vielleicht gar nicht so tiefgründig, wie Dave bei seinen Reflexionen über das Kunstwerk angenommen hat, und doch so abgehoben, wie er am Anfang dachte? Sicher nur eine mögliche Interpretationsweise. Trotz nachdenklicher Passagen ist das Stück aber vor allem unterhaltend.
Die Vorlage ist eine Kurzgeschichte (ja, sie heißt wirklich NIPPLEJESUS) von Nick Hornby. Von diesem wurde auch der Roman A Long Way Down geschrieben, der derzeit im Schloss Eichhof aufgeführt wird. Festspiel-Dramaturgin Dr. Bettina Wilts führt bei NIPPLEJESUS zusätzlich Regie. Auf der Bühne steht (neben Andrés Mendez) eine Skulptur aus knallbunten Gießkannen, Fliegenklatschen und Staubwedeln. Stammt sie aus einer modernen Kunstgalerie? Wurde sie von Kindern gebastelt? Beides scheint möglich.
Zugegeben, das Bühnenstück hätte auch als Lesung oder Hörbuch funktioniert. Aber dann hätte man nicht alles vom tollen Schauspiel des einzigen Darstellers mitbekommen. Auch wenn beispielsweise NIPPLEJESUS selbst nicht zu sehen ist, kann man sich das Bild durch seine Beschreibungen doch lebhaft vorstellen. Ähnlich, wenn Mendez in der Rolle als Dave andere Personen zitiert oder sie nachmacht.
Die Aufführungsstätte passt nicht nur inhaltlich, sie stellt neben den Darbietungen in der großen Spielstätte der Stiftsruine und neben Schloss Eichhof ein interessantes Zusatzangebot im Repertoire der Festspiele dar und sorgt für einen netten, gemütlichen Abend.
Mo
22
Jul
2019
Selbstmord als Hauptthema eines Stücks – keine leichte Herausforderung. Mit „A Long Way Down“, das im Rahmen der Bad Hersfelder Festspiele am Samstag im Schloss Eichhof erstmals als
Theaterstück aufgeführt wurde, aber ist eine warmherzige Tragikomödie gelungen.
Nicht ganz so leichtfüßig wie bei manch anderen Stücken im Eichhof ging es zu, wenn auch beileibe nicht todernst. Denn immer wieder gibt es Gelegenheit, mit den (und nicht über die) vier
Protagonisten zu lachen.
Auf dem Dach eines Londoner Hochhauses kommt es in der Silvesternacht zu einer ungewöhnlichen Begegnung. Vier Menschen laufen sich über den Weg, die sich umbringen wollen. Martin, ehemaliger Fernseh-Moderator, saß im Gefängnis, da er mit einer 15-jährigen geschlafen hat. Maureen hat einen 19-jährigen schwerstbehinderten Sohn und seine Pflege beansprucht ihr ganzes Leben. JJ gibt an, an einer unheilbaren Krankheit zu leiden (später stelle sich heraus, dass seine Band sich aufgelöst und seine Freundin sich von ihm getrennt hat). Jess stalkt einen Typen namens Chas, mit dem sie einmal geschlafen hat und der sich nicht bei ihr meldet.
Da die anderen der Meinung sind, dass das doch kein Grund ist, sich umzubringen, beschließen sie, ihr zu helfen. Als nächsten „Termin“ für den Selbstmord setzten sie Valentinstag fest. In den
kommenden – und immer mehr werdenden - Wochen helfen sie sich gegenseitig. Sie überlegen, durch welche Punkte ihnen ihr Leben nicht mehr so unerträglich scheinen würde. Am Ende gibt es kein
wundersames Happy End, bei dem plötzlich alles gut wird, aber eine glaubwürdige, schrittweise Verbesserung, durch die die vier auch die positiven Seiten zu erkennen beginnen.
Neben Peter Englert, der in mehreren Nebenrollen zu sehen ist, stehen den größten Teil des Stückes vier Darsteller auf der Bühne. Karsten Speck spielt Martin klug und der Rolle gemäß leicht
arrogant. Pikant (oder gewollt?) dabei: Speck saß selbst im Gefängnis, wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs und Steuerhinterziehung.„Die Figur hat nichts mit mir zu tun. Man muss kein Mörder
sein, um einen Mörder zu spielen“, sagt er, aber auch: „Ich kann mir vorstellen, wie er sich fühlt und das sehe ich positiv. Ich glaube, es ist uns gelungen, die entscheidenden Charaktere
herauszuarbeiten ...“ Womit er Recht hat: Natascha Hirthe spielt Maureen darstellerisch etwas hölzern, etwas wie in diesen alten deutschen Fernsehfilmen - aber das passt auch zu dem eher spröden
Charakter. Helena Sigal wirkt etwas übertrieben nervig, wie es die Rolle hergibt, und bleibt eigentlich das ganze Stück recht oberflächlich. Mick Riesbeck ist als JJ dagegen ruhiger und
reflektierter und den Typ Straßenmusiker nimmt man ihm sofort ab.
Der 2005 erschienene Roman von Nick Hornby war 2014 unter anderem mit Pierce Brosnan verfilmt worden. Von der Dramaturgin der Bad Hersfelder Festspiele. Bettina Wilts wurde er nun erstmals
für die Bühne bearbeitet.
Regie führte Christian Nickel, der in den letzten Jahren als Hauptdarsteller in „Hexenjagd“ und „Martin Luther – Der Anschlag“ bei den Bad Hersfelder Festspielen Kritiker und Publikum
begeisterte. Über das Stück sagt er „Mit klugem Humor erzählt Nick Hornby von der Brutalität und Einsamkeit des Großstadtlebens und von dem menschlichen Bedürfnis nach gegenseitiger Wahrnehmung,
ein Thema, das erst einmal nicht zum Lachen reizt. Doch genau diese Herausforderung gefällt mir: auf der Bühne zu zeigen, wie aus Verzweiflung Lebensfreude und Lachen entstehen kann und daraus
einen unterhaltenden Abend mit Tiefgang zu machen.“ Und die Herausforderung hat Nickel gemeistert.
Allein das Bühnenbild ist enttäuschend, man hätte sich von diesem im Vorfeld mehr erwarten können: das Hochhaus wird einfach durch eine bedruckte Wand im Hintergrund auf der Bühne
dargestellt. Die Kulisse des Eichhofs wird kaum genutzt.
Doch warum es nicht wie die Protagonisten des Stückes machen: die positiven Seiten sehen, von denen es bei dieser Inszenierung genug gibt. Dann steht einem schönen Theaterabend nichts im
Weg.
Di
16
Jul
2019
Eine gute Sängerin macht noch kein gutes Musical. Katharine Mehrling sorgte vergangenen Freitag bei den Bad Hersfelder Festspielen im Musical „Funny Girl“ mit ihrer kräftigen, variablen Stimmung für Furore. Auch schauspielerisch überzeugte sie in der Rolle der Fanny Brice, als "Ulknudel", aber auch in traurigeren Momenten. Am Bühnenbild mit der großen Showtreppe oder an den Kostümen gibt es nichts auszusetzen. Das Stück, das selbst das Show-Geschäft schildert, liefert alle Arten von Showeinlagen: Tanzvorführungen, Steppen, Komik, Live-Musik, große Auftritte. Doch bleibt das, was dargeboten wird, nichtssagend und belanglos.
Die Handlung von „Funny Girl“ ist kaum der Rede wert: Es geht um das Leben der Entertainerin Fanny Brice, die in den 1910er bis 30er Jahren sehr erfolgreich war. Weder ist die Geschichte interessant, spannend, noch besonders emotional, noch nicht einmal kitschig. Fanny steht, seit sie 13 Jahre alt ist, auf der Bühne. Da sie nicht ganz so hübsch ist wie die anderen Musical-Darstellerinnen (wenig subtil im Song „Wenn ne Frau nicht ganz hübsch ist“), konzentriert sie sich bei ihren Auftritten aufs Komödiantische. Und weil sie nun einmal witzig ist und gut singen kann, wird sie erfolgreich im Unterhaltungsgeschäft – welche Überraschung! Sie verliebt sich, heiratet, am Ende lässt sie sich von ihrem Mann scheiden. Dass dieser in der Realität ein Falschspieler und Betrüger war, hätte vielleicht noch etwas irgendwie Interessantes hergegeben, hier bleibt es bei der Erwähnung eines Betrugsfalls.
In die wenig bewegende Handlung eingebunden werden Musical-Nummern, dargeboten von den Musical-Darstellern, die Musical-Darsteller spielen. Von den Musikstücken hat man nachher nur noch „Don't Rain on My Parade“ in Erinnerung, das dankenswerterweise in Variationen mehrmals gespielt wird.
Der Darsteller von Fanny Mann, Alen Hodzovic, hat seine Stärke wahrlich nicht im Schauspiel, wo er anfangs fast wie ein Laiendarsteller wirkt, aber später, wenn er etwas emotionaler wird, doch wenigstens annehmbar agiert. Da er zwar gut singt, aber nur zwei Nummern hat, nicht gerade die perfekte Besetzung. Marc Seitz, der einen Choreographen tanzt, singt und spielt, tanzt und singt gut, verhaspelte sich bei der Premiere aber ein paar mal. Gut macht seine Sache Heinrich Schafmeister, der der Versuchung widersteht, den Theaterproduzenten Ziegfeld zu übertrieben darzustellen.
Sicher, wer ein großer Musical-Fan ist, kann sich an dem Abend entspannt unterhalten lassen. Das Premierenpublikum sah es auch so und spendete großen Applaus und es dauerte nicht lange bis zu Standing Ovations.
Erwartet man jedoch wenigstens ein wenig Tiefgang, ist „Funny Girl“ in dieser Hinsicht insgesamt die schwächste Aufführung der Bad Hersfelder Festspiele der letzten Jahre.
Text & Fotos: Markus Weber
Mo
08
Jul
2019
Willkürliche Verhaftungen; die Undurchsichtigkeit des Beamtenapparates; der kleine Bürger, der Justiz und Anwälten hilf- und ahnungslos ausgeliefert ist; Verdächtigungen, die zu Wahrheiten werden: Zur Eröffnung der Bad Hersfelder Festspiele 2019 zeigte Joern Hinkel mit seiner Inszenierung die Aktualität von Franz Kafkas "Der Prozess".
Anders als Peer Gynt letztes Jahr ist „Der Prozess“ 2019 zurückhaltend, schlägt seine politische Botschaft nicht mit dem Holzhammer ein. Doch ist sie klar: Etwas wie Franz K. kann Menschen in manchen Staaten auch heute passieren. Dabei spielt die offizielle Anschuldigung im Endeffekt keine große Rolle (bei Kafka ist es ja bekanntlich so weit getrieben, dass Josef K. Bis zum Ende nicht weiß, wessen er bezichtigt wird). Deutlicher wurde Deniz Yücel, der in seiner Rede bei der Eröffnung Parallelen zu staatlichen Behörden in Deutschland zog und den Verfassungsschutz als „gefährlichste Behörde Deutschlands“ bezeichnete.
In seiner Fassung hat Hinkel einiges an dem Werk verändert, die Sprache verständlicher gemacht und Figuren ausgebaut. Ein paar Aktualisierungen kommen dazu, die aber nicht aufgesetzt sind: Der Maler ist zum Beispiel auch ein Fotograf.
Als Kulisse dienen große Aktenschränke, die Kostüme sind großenteils grau und Schwarz. Ein trister Eindruck, der perfekt zur Stimmung passt.
Die Rolle des Josef K. gibt viel her für einen Schauspieler, und Ronny Miersch macht keine Fehler, er strahlt aber auch nicht besonders. Dieter Laser dagegen spielt den Advokaten Huld wie eine Parodie auf auf eine Persiflage auf Overacting beim Spielen einer absurden übertriebenen Figur. Jürgen Hartmann spielt als stellvertretender Bankdirektor zwar auch etwas stark auf, doch immerhin ist seine – freilich auch überspitzte - Figur doch eine gut beobachtete.
Die Rollen von Marianne Sägebrecht und Ingrid Steeger sind so klein wie für die Handlung unwichtig. Doch als bekannte Fernsehgesichter , die auch manchen Nicht-Theater-Gängern ein Begriff sein dürften, wirken sie publicity-trächtig, wie die Medienberichterstattung zeigt. Sei es den Festspielen gegönnt, es schadet der Besetzung jedenfalls nicht.
Am Ende der Premiere blieb zwar eine beklemmende Stimmung, doch die Aufführung wurde mit großem Applaus und einigen stehenden Ovationen bedacht.
Mo
05
Nov
2018
Bei den Bad Hersfelder Festspielen 2019 werden Franz Kafkas „Der Prozess“ und das Musical „Funny Girl“ aufgeführt. Erneut zu sehen sind „Shakespeare in Love“ und „Hair“, Annett
Louisan wird ein Live-Konzert geben.
Intendant Joern Hinkel, Bad Hersfelds Bürgermeister Thomas Fehling und Reinhard Faulstich, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Bad Hersfeld-Rotenburg stellten die Programmplanungen heute auf
einer Pressekonferenz in Bad Hersfeld vor Dabei wurde auch die Bilanz der Festspiele 2018 angesprochen.
Hinkel wird „Der Prozess“ für die Stiftsruine bearbeiten und inszenieren. Zwar bezeichnet er den Roman als „einen der ersten Psychothriller der Weltliteratur“. Bei seiner Inszenierung möchte er
aber vor allem das Humoristische, Abseitige zum Ausdruck bringen. Für ihn sei Kafka ein Vorläufer etwa für Loriot der die Coen-Brüder. „Der Prozess“ sei selten so aktuell wie heute und passe in
eine Zeit, in der die Entwicklungen in manchen Ländern dahin gingen, dass Legislative und Judikative nicht mehr immer getrennt sind, in der Politiker versuchen, Richter abzusetzen oder in der
Leute einfach verhaftet würden, führte Hinkel aus. In vielen Teilen der Welt sei eine Zeit des Umbruchs – ebenso wie bei Kafkas Roman, der kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges entstanden
ist. Außerdem sei es ihm wichtig, Stoffe auf die Bühne zu bringen, die nicht „in jedem zweiten Theater“ gespielt werden, so Hinkel.
Für das Musical „Funny Girl“ wird Stefan Huber erneut nach Bad Hersfeld kommen, wo er z.B.mit großem Erfolg Titanic inszeniert hat, obwohl er „eine Inszenierung nach der anderen in Deutschland
macht“. „Shakespeare in Love“ und „Hair“, die 2018 gezeigt wurden und komplett ausverkauft waren, würden für 2019 „noch etwas perfektioniert“.
Mo
27
Aug
2018
Horst Janson glänzt in der Bühnenfassung von Ernest Hemingways weltberühmter Novelle bei den Bad Hersfelder Festspielen 2018.
Fr
17
Aug
2018
Franziska Reichenbachers Stück bei den Bad Hersfelder Festspielen 2018 führt Kinder in die Welt des Theaters ein.
Lena (Amelie Hinkel) reist mit ihrer Oma, der berühmten Schauspielerin Gertrude Weininger (Brigitte Grothum) zu den Bad Hersfelder Festspielen, um dort für eine Rolle bei Regieassistentin Patircia Knyll (Ute Reiber) vorzusprechen. Der schrullige Hausmeister mit dem Spitznamen Knauster (Horst Janson) plagt sich dort mit Mäusen herum, die auch bei den Proben des HAIR-Ensembles für allerlei Zwischenfälle sorgen. Doch Lena erfährt von Mäusekönig Roderich XXVIII (Martin Semmelrogge), dass die Mäuse (Kinder und Jugendliche aus Bad Hersfeld und Umgebung) nicht nur allerlei Bühnenzubehör klauen, sondern auch für den Erfolg der Musicals bei den Bad Hersfelder Festspiele verantwortlich sind, da sie immer mitsingen. Gertrude Weininger erkennt in Knauster ihren alten Schauspielpartnert, mit dem sie vor Jahren in "Romeo und Julia" auf der Bühne stand. Doch dann trinkt Knauser aus Versehen das Gift, das er für die Mäse vorgesehen hatte.
Lustige Requisiten, Stücke aus dem aktuellen Musical HAIR, prominente Festspiel-Darsteller zusammen mit Nachwuchs, dem es sichtlich Spaß macht, auf der Bühne zu stehen - "Lenas Geheimnis - Von Menschen, Mäusen, Zauberwesen" ist noch an 3 Terminen in der Stiftsruine zu sehen.
Aufführungen: 19. August, 11 Uhr / 20. August, 10:30 Uhr / 21. August, 10:30 Uhr
Tickets: 06621 640200, ticket-service@bad-hersfelder-festspiele.de
Infos: https://www.bad-hersfelder-festspiele.de/ensemble/lenas-geheimnis.html
Text & Fotos: Markus Weber
Do
16
Aug
2018
Das Musical "HAIR" bei den Bad Hersfelder Festspielen 2018 ist ein buntes Spektakel mit großartiger Musik, bunten Kostümen und rasanten Tanzeinlagen.
Es mag argumentiert werden können, dass HAIR eigentlich gar kein wirkliches Musical ist. Weder gibt es Lieder, die die Handlung wirklich vorantreiben, noch gibt es überhaupt eine Handlung, die der Rede wert wäre. Eher ist es ein großes Konzert mit Tanz und dazu ein paar überleitenden Schauspielszenen. Ganz konsequent bleiben in der Bad Hersfelder Inszenierung die Songs dann auch in englischer Sprache. Es kommt ganz auf die Musik an, die Choreographien und die Stimmungen und Einstellungen, die transportiert werden.
Zum Glück verzichtet Regisseur Gil Mehmert, anders als Robert Schuster bei Peer Gynt, auf bemühte aktuelle Bezüge. Man stelle sich beispielsweise vor, aus dem Hippie-Musical HAIR werde ein zeitgemäßes Hipster-Musical BEARD...
„Man kann HAIR nicht mehr so spielen, wie vor 50 Jahren. Aber man begibt sich immer auf dünnes Eis, wenn man sich an der Tagespolitik, oder zum Beispiel an Trump abarbeitet. Wir machen eine Ikonografie der 70er-Jahre. Es treten unter anderem Jimi Hendrix und Liz Taylor auf. Und wir zitieren Woodstock als DAS Happening dieser Zeit“, erklärt Mehmert. "Was ist HAIR in dieser Inszenierung? Eine Hommage an eine Generation, die für einen Sommer die Zeit angehalten hat mit ihren Gedanken und ihren Gefühlen. Eine Revue über Amerika und ihre Einflüsse auf Politik, Kultur und Gesellschaft. Eine Geschichte über eine Jugend, die wie jede Jugend vor und nach ihnen, Normen und Werte der Eltern und Älteren in Frage stellt, an den unmittelbaren Auswirkungen auf ihr Leben leidet und versucht ein Gegenmodell zu entwickeln." Dem bleibt eigentlich nichts hinzuzufügen.
Bei der Premiere gab es mit einem Medley aus "Aquarius" und "Hair" sowie mit "Flesh Failures / Let The Sunshine In" zwei Zugaben, bei der letzteren holte das Ensemble Zuschauer*innen auf die Bühne, die gemeinsam in die laue Bad Hersfelder Sommernacht tanzten.
Mi
08
Aug
2018
Franziska Reichenbacher bringt "Lenas Geheimnis - Von Menschen, Mäusen, Zauberwesen" mit prominenten Festspiel-Schauspieler*innen, Mitgliedern des Bad Hersfelder HAIR-Ensembles und Kindern und Jugendlichen aus Bad Hersfeld und Umgebung in die Stiftsruine. Das Stück feiert am 16. August Premiere.
Am 8. August bekam die Presse Gelegenheit, einer Probe beizuwohnen und erste Bilder zu schießen.
Fotos: Markus Weber
Do
02
Aug
2018
Am 13. Juli 2018 begeisterte die Band a-ha tausende Zuhörer*innen mit ihrer Live-Performance auf dem Fuldaer Domplatz.
Von tosendem Applaus bis hin zu magischer Stille boten die Norweger alte und neue Lieder. Der krönende Abschluss bestand wohl aus ihren bekanntesten Werk „Take on me“.
Text & Fotos: Timo Pagana
Mi
01
Aug
2018
Der junge William Shakespeare (Dennis Herrmann) hat Probleme, „Romeo und Ethel, die Piratentochter“ zu schreiben, Viola de Lesseps (Natalja Joselewitsch) liebt das Theater, doch dürfen in der Elisabethanischen Epoche dort nur Männer auftreten.
Die romantische Komödie Shakespeare in Love gewann sieben Oscars. In Bad Hersfeld gab es die deutschsprachige Erstaufführung der Theaterfassung - und sie unterhält hervorragend. Die Hauptdarsteller*innen harmonieren bestens. Auch die Anforderungen, dass Schauspieler*innen ihrerseits Schauspieler*innen - und zwar schlechte und gute - spielen, geht auf. Nur Jens Schäfer kommt als Theatermanager Henslowe bei weiten nicht an den Film heran, bei dem Geoffrey Rush sogar für den Oscar nominiert war.
Stimmig ausgestattet, wirken einzig die Kostüme der Aufführung ein wenig wie aus dem Fundus zusammengewürfelt.
Auch beim Publikum kam der muntere Reigen gut an, es gab Standing Ovations von so gut wie allen Plätzen.
Text & Fotos: Markus Weber
Do
26
Jul
2018
Nach dem Erfolg von 2017 begeistert auch die Aufführung des Musicals Titanic auch bei den Bad Hersfelder Festspielen 2018.
Auch diesmal sinkt die Titanic, auch diesmal ertrinken über 1.500 Menschen, auch diesmal trifft es vor allem die armen Passagiere der 1. Klasse, da der Schiffsbesitzer J. Bruce Ismay (dieses Jahr neu dabei: Ansgar Schäfer) zu wenig Rettungsboote einbauen ließ, um mehr Platz für die 1. Klasse zu haben. Auch diesmal hört Kapitän E.J. Smith (Michael Flöth) nicht auf die Warnungen von Funker Harold Bride (neu: Markus Fetter), handelt der Erste Offizier William Murdoch (Jörg Neubauer) unsouverän, überlassen Isidor und Ida Strauss (Uwe Dreves und Isidor Strauss) ihren Platz auf dem Rettungsboot jüngeren Passagieren.
Und auch diesmal gibt es ein großartiges Orchester, Darsteller*innen mit musikalischen und schauspielerischen Fähigkeiten und ein stimmiges Bühnenbild. 2017 war die Inszenierung von Titanic (Regie: Stefan Huber, musikalische Leitung: Christoph Wohlleben) überaus erfolgreich, dieses Jahr war sie in nahezu gleich bleibender Qualität zu erleben. Die neuen Darsteller*innen fügten sich nahtlos ein.
Im Gegensatz zum eher unzugänglichen Peer Gynt gab es hier auch bei der mittlerweilen zweiten Premiere direkt Standing Ovations.
Infos: https://www.bad-hersfelder-festspiele.de/spielplan/titanic.html
Text und Fotos: Markus Weber
Do
26
Jul
2018
Die Inszenierung von „Peer Gynt“ durch Robert Schuster will vor allem dem Feuilleton gefallen. Sie sprudelt über vor aktuellen Anspielungen – allerdings ist es manchmal zu viel des
Guten.
Das Stück aus dem 19. Jahrhundert wurde der heutigen Zeit angepasst, was oft erstaunlich gut funktioniert. Dass die norwegischen Trolle nun Internet-Trolle sind, ist eine witzige und gut
umgesetzte Idee. Auch Facebook und Twitter oder Fake News fügen sich passend in die Grundbotschaften ein. Wenn aber Anspielungen auf Donald Trump dazukommen oder aus Peer Gynts norwegischer
Jugendliebe Solvejg eine Flüchtlingsfrau wird, die fast nur Englisch oder Afghanisch spricht, so fragt sich doch, ob hier nicht etwas verkrampft versucht wurde, dem Zeitgeist
hinterherzurennen.
Zuschauer*innen, die nicht zumindest in Grundzügen mit Inhalten und Motiven von Henrik Ibsens Peer Gynt vertraut sind, werden Probleme haben, der bruchstückhaften Inszenierung zu folgen, die kaum
einen konsistenten Handlungsstrang ermöglicht. Eingestreute Rückblenden und Doppelbesetzungen tragen ihr Übriges zur Verwirrung bei. Dass versucht wird, das Publikum durch eine
Animateusen-Mitmach-Nummer oder einige flache Gags mitzunehmen, wirkt etwas wohlfeil.
Die Hauptfigur bleibt etwas konturlos, auch wenn Christian Nickel gewohnt souverän spielt. Hätte man nicht beispielsweise den Mut aufbringen können, Gynt konsequenter als opportunistischen,
verlogenen Karrieristen darzustellen? Der junge Peer wird von einer Puppe verkörpert (geführt und gesprochen von Gloria Iberl-Thieme), und tatsächlich sind diese Szenen, vielleicht entgegen der
Erwartung, die ernsthaftesten der ganzen Aufführung. Ansonsten unterhält Corinna Pohlmann als schrullige Trollfrau, Andreas Schmidt-Schaller und Claude-Oliver Rudolph spielen ordentlich, André
Hennicke und Pierre Sanoussi-Bliss wirken meist eher als Beiwerk auf der Bühne. Weniger überzeugen können Nina Petri und Anouschka Renzi, die in allerlei Rollen immer gleichsam gekünstelt
spielt.
Die Video-Leinwände fügen sich deutlich besser als in den vergangenen Spielzeiten ein. So hängt etwa der Oberkörper der Schauspieler in einer Szene auf dem Meer oben, der Unterkörper im Wasser
(oder der untergehende Schauspieler) wird auf der Leinwand gezeigt. Positiv hervorzuheben ist auch die Musik von Jörg Gollasch.
Peer Gynt liefert Denkanstöße in einem modernen Theater-Setting, dem es nicht an neuen Ideen mangelt. Wer aber einfach einen entspannten Abend haben will, hat bei den Festspielen noch einige
andere Stücke zur Auswahl, von denen sicherlich keines flach und anspruchslos ist, bei denen jedoch die Zugänglichkeit der Kunst gewahrt bleibt.
Der Applaus bei der Erstaufführung war zwar wohlwollend, aber keineswegs überschwänglich, mit nur wenigen stehenden Ovationen.
Infos: https://www.bad-hersfelder-festspiele.de/spielplan/peer-gynt.html
Text: Markus Weber
Fotos: Timo Schadt & Markus Weber
Mi
27
Jun
2018
Die deutsche Autoindustrie kämpft mit Rückrufen, Strafzahlungen, Produktions- und Auslieferungsstopps und scheint bei der Elektromobilität den Anschluss zu verlieren.
Der heimischen Wirtschaft geht es scheinbar gut. In 2018 wird das Bruttoinlandsprodukt laut Prognose des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung um 1,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr wachsen.
Die deutsche Automobilindustrie konnte 2017 gegenüber 2016 ihre weltweiten Absatzzahlen um 4,1 Prozent auf circa 16,5 Millionen Fahrzeuge steigern. Zu verdanken ist diese Entwicklung vor allem
dem guten Absatz von Geländewagen, der um 25,7 Prozent zunahm. Und auch die obere Mittelklasse (12,4 Prozent) und die Oberklasse (14,6 Prozent) konnten nach Angaben des Verbands der
Automobilindustrie (VDA) entsprechend zulegen, während es jeweils im Segment der Klein- und Kleinstwagen leicht Berg ab ging. Trotz Abgasskandal haben sich die Verkaufszahlen der
„Schlachtschiffe“ also überraschend positiv entwickelt.
Insgesamt wurden weltweit 2017 rund 73,5 Millionen Personenkraftwagen sowie rund 23,8 Millionen Nutzfahrzeuge produziert. Die Deutschen sind prozentual also ganz ordentlich dabei. Doch da sind
sie nicht alleine. Überraschend dürfte für viele nämlich sein: Im letzten Jahr machte Chinas Produktion mit 29,8 Prozent rund ein Drittel der weltweiten Produktion in der Automobilindustrie aus –
Tendenz steigend.
Ausgerechnet die Fahrzeuge aus „deutscher Wertarbeit“, die in vergangenen Jahren die Statistik nach oben führten, sind nun zu großen Teilen nicht mehr zu verkaufen. Das liegt nicht primär am sich
verändernden Geschmack der Kunden.
Es liegt vor allem daran, dass schlicht die gesetzlichen Rahmenbedingungen es nicht mehr zulassen.
Ausgerechnet die Schlüsselindustrie der Deutschen wird von einer Entwicklung bedroht, die scheinbar nicht mehr aufzuhalten ist: dem Umweltschutz.
Der ADAC rät: „Wer weiterhin in städtische Umweltzonen fahren möchte, in denen neue Fahrverbote drohen, sollte sich für eine Alternative zum Diesel entscheiden oder aber mit dem Kauf eines
Diesels noch warten, bis Fahrzeuge mit dem neuen Abgasstandard Euro 6d-TEMP bzw. Euro 6d verfügbar sind.“ Und genau das ist das Problem. Die deutschen Autobauer haben scheinbar gehofft, sie
könnten mit ihrem Heer an Lobbyisten in Brüssel und Berlin die Politik dazu bewegen, die seit Jahren feststehenden, nun in Kraft getretenen gesetzlichen Anforderungen auszusetzen. Da haben sie
sich geschnitten.
Mo
26
Mär
2018
Mit dem Web 2.0 hat sich die Anzahl der Informationsquellen im Internet extrem gesteigert. Zugenommen haben aber auch falsche oder verfälschte Meldungen. Wie lassen sich in Zeiten von Fake News
und Facebook seriöse, objektive Informationen erkennen?
Fake News – falsche Neuigkeiten – werden aus unterschiedlichen Motivationen erstellt – aus politischen Gründen, zur gezielten Desinformation, aus Spaß… Oft werden auch unbewusst falsche
Informationen verbreitet oder aus unzuverlässigen Quellen falsche Schlussfolgerungen gezogen.
Merkmale von Fake News sind, dass sie oft überspitzt sind, keine Quellen genannt werden und der genaue Zeitpunkt oft unklar ist. Einige Falschmeldungen halten sich über Jahre und tauchen immer
wieder neu auf.
Fake / Hoax News-Seiten und -Beiträge zielen auf leichtgläubige Leser, die keine Quellen kontrollieren und Nachrichten plump teilen. Clickbait-Webseiten locken mit reißerischen Titeln. Die
Artikel halten dann jedoch selten, was die Überschrift verspricht. Auch nehmen sie gerne eine Geschichte mit einem wahren Kern, greifen einen bestimmten Teilaspekt heraus und überhöhen
diesen.
Stößt man auf eine Meldung auf einer unbekannten Quelle, zum Beispiel auf einer Website oder bei Facebook, sollte ein Blick auf das Impressum geworfen werden. Keines vorhanden? Dann ist die
Wahrscheinlichkeit, dass es sich um eine seriöse Seite handelt, bereits extrem gering. Wenn es ein Impressum gibt, lohnt es sich, zu hinterfragen: Ist es Ziel der Seite, Informationen zu
vermitteln? Oder haben die Betreiber*innen eigene, etwa politische oder finanzielle Interessen, die an ihrer Objektivität Zweifel lassen?
Weiterhin hilft ein Gegencheck: Lassen sich die besagten Aussagen auch auf anderen Quellen finden?
Dem Widerlegen von Gerüchten und Fake News haben sich inzwischen mehrere Internetseiten gewidmet. Zum Beispiel klärt www.mimikama.at* über Internetbetrug und Falschmeldungen auf, über Esoterik und Pseudowissenschaft informieren www.psiram.com oder www.gwup.org.
Es gibt aber auch Quellen, die nicht unbedingt falsche Informationen verbreiten, bei denen von vornherein aber zumindest Vorsicht und ein Gegencheck sinnvoll sind.
Manche Ratgeber-Portale werden von Unternehmen betrieben, die Produkte oder Dienstleistungen zum jeweiligen Thema anbieten, bei denen also geschäftliche Interessen zumindest eine Rolle spielen
könnten. Auch hier klärt oft ein Blick in das Impressum auf. Vor allem bei Themen wie Finanzen, Versicherungen oder Immobilien tummeln sich Webseiten, deren Beiträge in erster Linie so
geschrieben sind, dass sie in Suchmaschinen möglichst weit oben auftauchen.
Vergleichsportale sind nicht immer unabhängig, sie verdienen ihr Geld meist über Provisionen von den Firmen, die sie vergleichen. Die Verbraucherzentralen bemängeln regelmäßig, dass Finanzierung
und Bewertungskriterien nicht transparent sind.
Werbung ist nicht immer (unmittelbar) erkennbar. Im Internet häufig anzutreffen ist sogenanntes „Influencer-Marketing“. Product Placement und Schleichwerbung haben sich dort de facto zu einem
einträglichen Geschäft entwickelt. Es gibt eigene Datenbanken, in denen Unternehmen und Werbetreibende zum Beispiel Blogger, Youtuber oder Instagrammer finden können, die netterweise ihre
Produkte erwähnen oder testen.
Die Trennung von redaktionellen Inhalten und Anzeigen ist auch nicht bei allen journalistischen Angeboten gegeben. Manchmal sind Werbe-Texte etwa mit „Anzeige“ gekennzeichnet – manchmal auch
nicht.
Schließlich sind auch journalistische Artikel nicht von vornherein gut recherchiert oder neutral. Die NachDenkSeiten beispielsweise zeigen auf, wie in der Wirtschafts- und Sozial- und Finanzpolitik in den großen Medien überwiegend neoliberale Positionen
vertreten werden und bieten Gegenpositionen. BildBlog oder ÜberMedien untersuchen Falschmeldungen und Fehler in der Medienberichterstattung.
* Auch bei allen hier genannten Webseiten gilt: Im Zweifel skeptisch bleiben, den Informationen nachgehen, mitdenken – bevor die Informationen weiterverbreitet
werden.
Markus Weber
erschienen im printzip, Ausgabe April 2018
Mo
26
Mär
2018
Ein Gastbeitrag von Jörg Bergstedt, Landschaftsplaner und Autor
Eigentlich war schon überraschend, dass die Bundesregierung, dieser Freundeskreis der deutschen Automobilindustrie, den sogenannten Nulltarif, also die fahrscheinlose Nutzung von Bussen und Bahnen, ins Gespräch brachte. Noch bemerkenswerter schien, dass viele den Vorschlag aufgriffen und sich inzwischen etliche Städte und Kreise darum drängeln, als Teststadt ausgewählt zu werden, um endlich den Nulltarif bei sich einführen zu können. Doch genaueres Hinsehen zeigt: Das war keineswegs überraschend. Denn die Idee ist einfach gut. Und sie ist nicht so exotisch, wie manche das jahrelang dargestellt haben und immer noch darstellen. Eher ist Deutschland hier Nachzügler, ein Entwicklungsland in Sachen Verkehr. Etliche Städte Europas, vor allem in Frankreich, praktizieren das Erfolgsmodell, ebenso Melbourne, Seattle, Hawaii – und sogar eine europäische Hauptstadt, nämlich Tallinn (es soll dort demnächst sogar landesweit ausgedehnt werden). Hierzulande gab es nur zwei Versuche zum Nulltarif (in Templin und Lübben) – mit überwältigendem Erfolg. Es stiegen so viele Menschen auf Busse um, dass die Verkehrsbetriebe das nicht mehr bewältigen konnten. Da die Orte allein gelassen wurden, hielten sie das nicht durch. Das wäre jetzt anders. Und darum ist es der richtige Zeitpunkt, einzusteigen in die konkrete Planung. Fulda, Bad Hersfeld und umliegende Gemeinden: Werdet zu den Mitvorreitern der Idee – und bringt den Impuls in die Verkehrsverbände NVV und RMV ein! Denn klar ist, dass das Ganze am besten funktioniert, wenn es nicht nur Inseln sind, an deren Grenze plötzlich doch ein Ticket gelöst werden muss und die ganze, sauteure Infrastruktur von Fahrkartenautomaten, Werbung, Buchhaltung und Kontrolleur*innen aufrechterhalten wird, weil sich auch Menschen aus ferneren Orten nach Osthessen verirren.
Di
27
Feb
2018
Was können wir im Beruf, im Alltag und im Alter - und vielleicht sogar im Schlaf - für unsere Gesundheit tun? Darüber darüber sprach printzip-Redakteur Markus Weber mit Dr. Eckart von Hirschhausen. Es ging aber auch um die Rahmenbedingungen des Gesundheitsystems.
In Ihrem neuen Bühnenprogramm „Endlich!“ geht es um die Zeit. Ein wichtiger Teil davon ist bei vielen Menschen die Arbeitszeit. Wäre eine flexiblere Einteilung der Arbeitszeit (der
Wochen- wie auch der Lebensarbeitszeit) von Vorteil für die Gesundheit der Menschen?
Eine flexiblere Einteilung wäre in den meisten Fällen sinnvoll, aber eben auch nicht in allen Berufsfeldern praktikabel. Viel wichtiger ist es für mich, motivierte Menschen nicht zu demotivieren.
Das ist schon mal alles andere als selbstverständlich. Als Arzt interessiert mich das Thema seelische Gesundheit am Arbeitsplatz sehr. Unser Hirn funktioniert dann am besten, wenn wir mit Freude
in unserem Element sind. Die Deutschen sagen zwar gerne: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Das mag im Bergwerk gelten, aber wohl keiner, der dieses Heft liest, verdient sein Geld durch
körperliche Anstrengung, sondern für geistige Leistung. The Brain runs on fun. Wenn Menschen beim Arbeiten kein Vergnügen haben, läuft etwas Grundsätzliches falsch.
Haben Sie ein paar Tipps, wie man auch während der Arbeit etwas für seine Gesundheit tun kann?
Sitzen ist das neue Rauchen. Wir bewegen uns einfach viel zu wenig. „Sport“ klingt für viele schon unerreichbar. Es reicht, sich im Alltag und bei der Arbeit jede Stunde mal fünf Minuten zu
bewegen und vor die Tür zu gehen – am besten ohne Zigarette. Längere Telefonate führe ich inzwischen im Gehen. Einmal um den Block. Da kommt man schnell auf die 3.000 Extra-Schritte und 15
Minuten Bewegung am Stück, die einen bereits vor Herzinfarkt und Schlaganfall schützen. Deshalb heißen die Dinger ja auch „Mobil“-Telefone!
Zur Zeit gehören auch die Erholung und der Schlaf. Sind die Uhrzeiten, zu denen die meisten Menschen arbeiten oder zu der die Schule beginnt, aus medizinischer Sicht die
richtigen?
In meinem live Programm „Endlich!“, das ich am 5. März in Fulda in der Esperantohalle zeige, erzähle ich viel über die innere Uhr, wie sie tickt und wie wir sie aufziehen können. Wenn die äußere
und innere Uhr sehr weit auseinander sind, ist das ungesund. Die Schlafenszeit sollte man zum Schlafen und zum Fettabbau verwenden. Ich habe gerade mit der 16 zu 8 Methode über 10 Kilo verloren –
und vermisse sie kein Stück. Im Gegenteil, seit ich längere Essenspausen mache, fühle ich mich erleichtert – und 16 Stunden sind nicht so lang, wenn davon 8 Stunden Schlaf sind. Wer genau wissen
will, wie die Methode funktioniert: in meiner neuen Zeitschrift „Hirschhausen Gesund Leben“ stehen die Details.
Viele Menschen hadern mit dem Älterwerden. Was ist Ihr professioneller Rat, um „in Würde zu altern"?
Schmeißt eure Anti-Aging-Creme in die Tonne und seid stolz auf eure Lachfalten! Kümmert euch nicht so viel um euch, kümmert euch um andere - gebraucht zu werden hält jung! Engagiert euch, denn
das Dümmste, was passieren kann, ist, dass Anti-Aging-Zeug wirklich funktioniert. Dein Körper wird jünger, aber dein Geist wird älter. Irgendwann hast du Alzheimer, kommst aber körperlich gerade
zurück in die Pubertät. Du kannst wieder – weißt aber nicht warum. Ist das ein Lebenstraum?
Kann das Altern durch gesunde Verhaltensweisen verlangsamt werden?
In meinem Buch „Wunder wirken Wunder“ habe ich Studien zitiert, die klar sagen: 15 Jahre unseres Lebens hängen am Lebensstil. Es gibt keine Tablette, keine Operation und erst recht keine Creme,
die uns besser schützen als fünf ganz einfache Dinge des Alltags: nicht rauchen, bewegen, Gemüse, erwachsen werden und Kind bleiben. Wir unterfordern viele Menschen gerade nach dem Ende der
Berufstätigkeit. Demenz lässt sich durch viele praktische Dinge aufhalten und verlangsamen: Bluthochdruck richtig erkennen und behandeln, Übergewicht reduzieren, beweglich bleiben. Klar.
Mindestens so entscheidend ist aber das Gefühl, gebraucht zu werden, eine Aufgabe zu haben, an der Gesellschaft teilzunehmen und teilzuhaben. Wenn wir Mehrgenerationenhäuser, Alten-WGs und
quartiernahe Pflege besser organisieren, bleiben Menschen auch mit dementiellen Erkrankungen viel länger dort, wo sie hingehören: In der Mitte der Gesellschaft.
Was kann man sonst noch dafür tun, um im Alter geistig fit zu bleiben?
Fangen Sie an zu tanzen! Oder am besten – hören Sie gar nicht erst auf damit! Für uns ist es ganz natürlich, sich zu Musik zu bewegen, das weiß jedes Kind und tut es automatisch. Eigentlich
müssten wir im Erwachsenenalter nicht so mühselig tanzen lernen, wenn wir es uns nicht vorher abgewöhnt hätten. Und dabei ist Tanzen extrem gesund – auf ganz vielen Ebenen. Tanzen hält Leib und
Seele jung, schützt vor Alzheimer und es geht für die meisten nicht um Leistung, sondern um voll im Moment zu sein, Sinnlichkeit, neues Lernen, Freude und Gemeinschaft zu teilen.
Werfen wir einen Blick auf die politischen Rahmenbedingungen der Gesundheit. Sie haben öfter darauf hingewiesen, dass es zu wenige Pflegekräfte in Deutschland gibt. Was kann hier getan
werden?
Die Ausbildung, die Wertschätzung, die Bezahlung, die Vereinbarkeit mit der Familie, die Möglichkeiten der Weiterbildung und Karriere, die Akademisierung, die politische Lobbyarbeit mit einer
verbindlichen Bundespflegekammer – die Liste ist für dieses Gespräch zu lang. Geschätzt fehlen heute schon 50.000 Pflegekräfte und in zehn Jahren werden wir 1,5 Millionen mehr Pflegebedürftige
haben. Die Dramatik ist den wenigsten bewusst und betrifft früher oder später uns alle. Die schlechte Stimmung in den Krankenhäusern macht mir ernsthaft Sorgen. Ich kann die Kollegen und
Pflegekräfte gut verstehen, die auf die Barrikaden gehen oder resignieren. Die Kürzungen am Personal sind desaströs, denn gerade Zeit und menschliche Zuwendung ist durch nichts zu ersetzen und
darf nicht der Profitmaximierung unterliegen. Wenn eine Krankenschwester oder ein Altenpfleger für 40 Patienten in der Nacht da sein soll, ist das ein Skandal.
Sie haben in einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung eine „Raffgier-Mentalität“ im Gesundheitsbereich in den letzten 20 Jahren beklagt. Können Sie dies erläutern? Wo sehen Sie
die Ursachen?
Das rein ökonomische Denken geht am Kern der Idee des „Hospitals“ vorbei –ein Ort für Gäste. Das Wort „Charité“ kommt nicht von „Shareholder“, sondern von „Caritas“ – der Nächstenliebe, die in
einem Patienten erst einmal den sieht, dem man Leiden lindern möchte, und kein DRG-Fall (Diagnosis Related Groups-System, diagnosebezogene Fallgruppen, Anm. d. Red.) und keinen Kunden. Das
Anreizsystem ist falsch und dreht immer weitere kranke Spiralen, das weiß jeder, aber keiner traut sich, daran zu rütteln. Und was die sprechende Medizin angeht, braucht es viel stärkere
Belohnung für Reden und Aufklären statt Röntgen und Operieren. Dafür würde ich auch an der Ausbildung der nächsten Generation ansetzen. Die Kommunikationsfähigkeiten sind die Basis der ärztlichen
Tätigkeit. Sie könnte, wie an einigen holländischen Universitäten, bereits Teil der Zulassung zum Studium sein und zentraler Inhalt. Im Kleinen gibt es in Deutschland gute Initiativen, wie zum
Beispiel die Trainings mit Schauspielern oder die Module „Arzt mit Humor“ in Leipzig.
Dr. Eckart von Hirschhausen mit "Endlich - Das Life! - Programm" am Montag, 5. März, um 20 Uhr in der Esperantohalle Fulda.
Eintritt: ab 35,75 Euro
Tickets: www.s-promotion.de
erschienen im Monatsmagazin printzip, Ausgabe 3/2018
Mo
29
Jan
2018
Nach dem Rücktritt von Dieter Wedel werden die Bad Hersfelder Festspiele 2018 mit „Peer Gynt“ eröffnet, „Das Karlos-Komplott“ wird nicht aufgeführt. Dies teilte der kommissarische Intendant der Festspiele Joern Hinkel heute auf einer Pressekonferenz in Bad Hersfeld mit.
„Dieter Wedel hat es geschrieben für eine Dieter-Wedel-Inszenierung. Aber ein Wedel ohne Wedel ist eigentlich nicht machbar“, so Hinkel über das Stück, dass Wedel nach der Vorlage von Friedrich Schiller neu bearbeitet hat. Außerdem hätte eine Aufführung nach den Ereignissen der letzten Wochen keine Chance, objektiv beurteilt zu werden. Die Schauspieler des Karlos-Komplottes, wie Andreas Schmidt-Schaller, würden aber bei den Festspielen bleiben. Es werde nun geschaut, welche Rolle sie in anderen Stücken übernehmen könnten.
Gegenstück zum Karlos-Komplott
Man habe inhaltlich eher ein Gegenstück zum politischen „Don Karlos“ gesucht statt einer Kopie, erklärte Hinkel die Wahl. Das Stück von Henrik Ibsen sei zeitlos, sinnlich, von Phantasie und skurrilen Figuren überbordend. Ihn Ihm ginge es um einen Lügner, bei dem alle wissen, dass er lügt, und um Realitätsflucht. Es „schreie“ nach der Stiftsruine als Kulisse. Er habe sich schon bevor er bei den Bad Hersfelder Festspielen war einmal Gedanken gemacht, wo man Peer Gynt am besten spielen könnte, und sei auf Bad Hersfeld gekommen, erzählte Hinkel. Bisher war es dort aber erst einmal, 1971, im Programm. Ein Regisseur werde noch gesucht, er selbst werde es nicht inszenieren. Außerdem, verriet Hinkel, habe ein Schauspieler aus dem Karlos-Ensemble sich bereit erklärt, die Titelrolle zu übernehmen, und er könne sich vorstellen, dass sich der neue Regisseur darüber freuen werde.
Tickets können zurückgegeben werden
Was passiert mit den Tickets, die bereits für das Karlos-Komplott gekauft worden? Andrea Jung, kaufmännische Leiterin der Festspiele, klärte auf: Ab 1. Februar gibt es für zehn Tage die Möglichkeit, die Tickets für Don Karlos 1:1 gegen die selben Plätze bei Peer Gynt umzutauschen. Sie können aber auch gegen Karten für andere Stücke getauscht oder zurückgegeben werden. Ab dem 10. Februar startet der allgemeine Vorverkauf.
In den vergangenen Wochen sei es zu keinem Einbruch bei den Verkaufszahlen gekommen, die Hälfte der ca. 80.000 Tickets seien bereits verkauft, so Jung.
Weitere Stücke
Er freue sich, dass es gelungen sei, die Theaterversion von „Shakespeare in Love“ als deutsche Erstaufführung nach Bad Hersfeld zu holen, sagte Hinkel zu den weiteren Aufführungen der kommenden Festspielsaison. Der Regisseur werde demnächst bekannt gegeben. Wie geplant werden die Musicals „Hair“ und „Titanic“ zu sehen sein. Auch wird es wieder ein Stück im Schloss Eichhof sowie klassische und Pop-Konzerte geben.
Das Stück für Kinder wird diesmal in der Stiftsruine aufgeführt. Der Spielort Theaterzelt auf der Wiese ist aufgrund des Defizits der Festspiele gestrichen worden. Von Franziska Reichenbacher werde ein Stück eigens für den Ort geschrieben, das sich auch auf die Stiftsruine und die Festspiele beziehe. In den nächsten Wochen werde es ein Casting für Kinder und Jugendliche in Bad Hersfeld geben.
Vorwürfe gegen Wedel kein Thema
Zum Vorwürfen gegen Dieter Wedel, die mehrere Schauspielerinnen in den letzten Wochen vorgebracht haben und die bis zu Vergewaltigung reichen, äußerten sich die Teilnehmer der Pressekonferenz - Hinkel, Jung und Bad Hersfelds Bürgermeister Thomas Fehling - nicht. „Sie können sich vorstellen, dass die letzten drei Wochen für alle im Team schwer und unfassbar waren. Und hier heute einfach zur Tagesordnung übergehen, ohne an Dieter Wedel zu denken, möchte ich nicht. Er hat es geschafft, die künstlerische Qualität der Festspiele zu steigern und das Theaterereignis in der Stiftsruine bundesweit als Marke zu etablieren“, sagte Hinkel. Ein Stellvertreter sei dafür da, dass er das Schiff weitersteuere. Er habe den Schritt auch mit Wedel beraten und sei von ihm dazu ermutigt worden.
Thomas Fehling dankte Dieter Wedel für seine Arbeit bei den Bad Hersfelder Festspielen. Die Ereignisse der vergangenen Zeit hätten ihn getroffen und traurig gemacht, sagte er. Den Ruf der Festspiele oder Der Stadt sehe er nicht beschädigt. Zum Ende der Saison werde ein neuer Intendant gesucht. Das könne Joern Hinkel sein.
Auf die Frage, wie groß der Schaden für die Festspiele durch das Aufhören von Dieter Wedel sei, antwortete Hinkel, alle Schauspieler hätten ihm gesagt, dass die Festspiele schon für sich selbst eine große Ausstrahlung und einen Namen in der Theaterlandschaft hätten.
Markus Weber
Mo
27
Nov
2017
Weithin sichtbar sind die Bad Hersfelder Amazon-Logistikzentren. Weit bekannt sind sie auch, nicht zuletzt durch Reportagen über die Arbeitsbedingungen beim Pakete-Zusammenstellen und Packen in
der Vorweihnachtszeit. Immer wieder rufen die Gewerkschaften zum Streik auf. Im Lieblingsbuchladen um die Ecke ist auch niemand gut auf den Konzern zu sprechen, denn er hat viele Buchhandlungen
auf dem Gewissen und schafft sich Vorteile durch Steuertricks, die der Gesellschaft und den Wettbewerbern schaden. Und Datenschützer schütteln die Köpfe darüber, wie viel Wissen der Online-Riese
über seine Kund*innen anhäuft und auswertet.
Aber jetzt diskutieren auch Bäuerinnen und Bauern, der Frankfurter Ernährungsrat und Umweltaktive über das neueste Projekt Amazons. In Bad Hersfeld rufen sie am Dienstag, 5. Dezember, in
Weihnachtsmannkostümen zur Aktion „Weihnachten ohne Amazon“ und zum Unterschreiben auf: Sie wollen „Amazon fresh“ schon in der Startphase stoppen.
Über diese neue Sparte Amazons kommen frische Lebensmittel direkt in die Haushalte – seit einem halben Jahr und bisher nur in Berlin, Potsdam, Hamburg und München. Vollmundig kündigte Konzernchef
Jeff Bezos an, die Kühlschränke erobern zu wollen und das Einkaufen zu revolutionieren.
In den USA hat Amazon gerade eine große Bio-Lebensmittelkette übernommen. 13,7 Milliarden Dollar kostete „Whole Foods“ mit 440 Filialen in den USA. Innerhalb kürzester Zeit senkte Amazon die
Preise in den Läden um 40 Prozent - das ist so viel, dass die Zulieferer um ihre Zukunft bangen müssen.
Amazon wendet sich mit seinem Frische-Angebot in Deutschland zunächst an zahlungskräftige Kund*innen. Wer dabei sein will, muss sowohl gebührenpflichtig Amazon Prime Kund*in sein als auch einen
zusätzlichen Amazon fresh-Monatsbeitrag zahlen. Dafür wirbt der Konzern mit der größten Produktvielfalt des Lebenmittelhandels. Er hat Kooperationsverträge unter anderem mit den bisher regional
orientierten Ketten Tegut und Feneberg als auch der Biokette Basic sowie konventionellen Händlern geschlossen. Einer der ersten Effekte: Essens-Retter aus Berlin berichteten, dass bei Basic seit
dem Einstieg in das Amazon fresh-Konzept massiv mehr Lebensmittel weggeworfen werden.
Amazon hat die ausgefeilteste Online-Bestell-Software und Logistik und ist Meister der Kundenbindung. Bisher zeigen Erfahrungen aus anderen Branchen, wie es kleineren Partnern des Konzerns
ergeht. Amazon macht sie austauschbar, konkurriert mit billigeren Produkten und mit Hilfe von Algorithmen zur Preisbildung und schraubte die Anforderungen stark in die Höhe. Amazon ist nämlich
nicht nur ein mächtiges Handelsunternehmen, sondern auch Bereitsteller der Infastruktur, Betreiber virtueller Marktplätze.
Das ist kein gutes Zeichen für alle, die sich gute Perspektiven für regionale, möglichst biologische und möglichst saisonale Lebensmittel wünschen. Denn das Internet spielt eine wichtige Rolle
für moderne Direktvermarktungs-Strukturen. Die regionalen Biokisten nehmen Bestellungen über das Netz entgegen. Die „Marktschwärmer“ bringen hungrige Städter*innen und die aktuellen Angebote der
Höfe in der Umgebung zusammen. Lokale Online-Marktplätze versuchen, die Innenstädte und regionale Erzeuger sowie Dienstleister zu stärken.
Die Kampagne „Essen ohne Amazon“ befürchtet, dass sie alle unter Druck geraten könnten, wenn Amazons Marktmacht sich bei Lebensmitteln wirklich entfaltet.
Die Kampagne „Essen ohne Amazon“ ruft nun zur Auseinandersetzung mit dem Onlineriesen auf: Sie kombiniert die Anstiftung zum eigenen konzernfreien Einkauf mit Forderungen an die Politik. Die
Konzernmacht im Lebensmitteleinzelhandel und die der größten Internet-Konzerne muss beschränkt, regionale Direktvermarktung weiterentwickelt und dabei gefördert werden. Mit Aufklebern und
Aktionen begleitet wird die Aktion „Weihnachten ohne Amazon“, folgen sollen Vorstellungen für die echten Alternativen bei der Lebensmittelbeschaffung auf Augenhöhe mit Bäuerinnen und Bauern. Mehr
unter:
Do
17
Aug
2017
Eindrücke vom Open Flair Festival am Sonntag, 13. August 2017
Der umjubelte Abschluss des diesjährigen Festivals
Di
15
Aug
2017
Ein riesiger Andrang herrschte am Samstag, 12. August 2017 auf dem Open Flair Festival, als am Abend Billy Talent auftraten.
Liedfett sorgten wie schon letztes Jahr beim Publikum auf der Freibühne für Stimmung.
Di
15
Aug
2017
Nach dem Auftritt von Alligatoah heizten am Freitag, 11. August 2017 beim Open Flair-Festival die Broilers auf der HR-Bühne trotz Regenwetters gewaltig ein.
Mo
14
Aug
2017
Bilder vom Auftritt von Alligatoah beim Open Flair Festival am 11. August 2017.
Mi
02
Aug
2017
Auf eine Reise in die italienischen Opern luden die Bad Hersfelder Festspiele. Höhepunkte aus großen Opern von Verdi, Puccini, Bellini und Donizetti bildeten einen guten Einstieg in diesen Kosmos, z.B. "Casta Diva" aus Norma (Bellini), Verdis Gefangenenchor aus Nabucco, den der Chor auf den Treppen zwischen den Zuschauern aufführte, Szenen aus Puccinis Tosca oder als Abschluss "Brindisi" aus Verdis La Traviata.
Corinna Pohlmann, die auch in Hexenjagd und Martin Luther - Der Anschlag zu sehen ist, führte durch den Abend, in dem sie als Erzählerin 19 Szenen aus 10 Opern zu einer neuen, freilich nicht immer ganz logischen Geschichte zusammenfügte. Sie ordnete die Handlungen und Rollen der Beteiligten frei nach ihrem Belieben, unterbrach, wenn es doch etwas zu melodramatisch wurde, hatte lakonische Kommentare und bissige Erläuterungen parat und sorgte dafür, dass der Abend immer mit einem Augenzwinkern verlief und schließlich doch noch glücklich endete - selten für eine Oper.
Im Endeffekt ging es aber natürlich vor allem um die Musik. Zu sehen und hören waren Nadja Stefanoff (Sopran - sie wurde bei der Aufführung am 1. August mit besonders großem Applaus bedacht), Zurab Zurabishvili (Tenor), Kwang-keun Lee (Bariton - er kam erst kurzfristig dazu, nachdem ein anderer Solist ausgefallen war), der Hessische Konzert- und Festspielchor, Mitglieder des Landesjugendchores Hessen und das Orchester Virtuosi Brunenses.
Heute, am 2. August, ist ab 20 Uhr noch einmal Italienische Nacht in der Stiftsruine.
Infos: http://www.bad-hersfelder-festspiele.de/konzerte/italienische-nacht.html
Tickets (ab 29 Euro): 06621 / 640200, ticket-service@bad-hersfelder-festspiele.de
Markus Weber
Di
01
Aug
2017
Gerüchte, die sich festsetzen und sich ausbreiten, ohne auch nur im geringsten Fakten zu entsprechen: Das Thema von Hexenjagd tritt in der diesjährigen Inszenierung noch etwas stärker hervor als letztes Jahr. Ist es wegen einiger Akzentuierungen, die vorgenommen wurden – oder ist es vielleicht stärker, weil das Thema „Fake News“ dieses Jahr so sehr in der Öffentlichkeit steht?
Regisseur und Intendant Dieter Wedel versteht es jedenfalls, aktuelle Bezüge zu betonen und das Zeitlose hervorzuheben. Die Handlung des Theaterstücks, in der Menschen wegen Hexerei hingerichtet werden, beruht auf realen Ereignisse von 1692. Sie ist sicherlich schon in den USA der 1930er Jahre, wo Wedel die Inszenierung ansiedelt, ein Anachronismus. Allerdings sind die Grundmechanismen auch auf heute übertragbar: Die Welle von Lügen, Verdächtigungen und Anschuldigungen, die sich steigert in Hysterie und Verfolgungswahn oder der Glaube an dunkle Mächte.
Die Eingangssequenz wurde gegenüber 2016 leicht geändert, so dass der Faktor der Gerüchte und ihrer Verbreitung stärker hervortritt. Außerdem wird auch die Motivation des reichen Putnam klarer, dem die Anschuldigungen sehr gelegen kommen und der sie anstachelt. Christian Nickel als John Proctor ist in dieser Saison wahrlich omnipräsent und überragt schauspielerisch die Festspiele. Statt André Eisermann spielt Tilo Keiner den Pastor Parris – dank der Maske ähnlich im Erscheinungsbild, doch etwas weniger mit der gewissen zur Rolle passenden Trotteligkeit agierend. Motsi Mabus wird im Juli von ihrer Schwester Otlile vertreten.
Auch wenn die Inszenierung ansonsten im Großen und Ganzen die selbe bleibt und nicht mehr so stark den Reiz des Neuen hat: Wer noch nicht die Chance hatte, Hexenjagd bei den Bad Hersfelder Festspielen zu sehen, sollte es nachholen. Am 11. August 2017 wird sie das letzte mal aufgeführt.
Weitere Infos und Aufführungstermine: http://www.bad-hersfelder-festspiele.de/spielplan/hexenjagd.html
Tickets (ab 29 Euro): 06621 / 640200, ticket-service@bad-hersfelder-festspiele.de
Text: Markus Weber
Fotos: Timo Schadt und Markus Weber
erschienen im printzip August 2017
Mo
24
Jul
2017
Ein monumentales Musical über einen monumentalen Untergang in der monumentalen Kulisse der Stiftsruine. Zugegeben, bei dem Musical Titanic konnte eigentlich nicht viel schiefgehen. Dennoch beeindruckt die Inszenierung von Stefan Huber bei den diesjährigen Bad Hersfelder Festspielen nachhaltig.
Das Musical, das vor dem Film mit Leonardo di Caprio entstand, wurde 1997 in fünf Kategorien beim Tony Award, dem „Musical-Oscar“, ausgezeichnet.
Es erzählt von den Umständen, die zum Untergang des „größten beweglichen Objekts aller Zeiten“ und zum Tod von über 1000 Menschen führten - etwa von der Profitgier der Schiffahrtgesellschaft, die weniger als die Hälfte der benötigten Rettungsboote eingebaut hatte, um mehr Tickets verkaufen zu können. Es erzählt aber auch von den in drei Klassen reisenden Passagieren, von ihren Hoffnungen und Träumen auf ein besseres Leben, von der Dekadenz der Oberklasse. Besonders berühren auch die Einzelschicksale: ein Heizer lässt durch einen Funker einen Heiratsantrag quer über den Ozean schicken, ein altes Ehepaar bleibt an Bord und lässt den jüngeren Vortritt auf die Rettungsboote.
Bei den über 40 Darsteller*innen gibt es keine Schwachstelle, sie überzeugen durchweg mit starkem Gesang. Das Orchester spielt sehr genau abgestimmt zum Stück und stets mit einer angemessenen
Dynamik. Die Bühne wird mit übergroßen drehbaren und mehretagigen Elementen großzügig bespielt. Diese bilden den Schriftzug TITANIC, später dienen etwa obere Geschosse als Brücke, untere als
Heizumgskeller. Ein großer Steg über den Innenraum der Bühne, der in manchen Szenen bis ganz oben hochgezogen wird, überragt alles.
Kein Wunder also, dass das Stück bei der Premiere euphorisch angenommen und mit lange anhaltendem stehenden Applaus honoriert
wurde.
Weitere Infos
Tickets: 06621 / 640200, ticket-service@bad-hersfelder-festspiele.de
Text: Markus Weber
Fotos: Timo Schadt, Markus Weber
Mi
19
Jul
2017
Nur vier Darsteller für über vierzig Rollen: Dies wurde nicht aus Not, sondern bewusst gewählt und schafft den eigentlichen Unterhaltungswert der turbulenten Kriminalkomödie „Die 39
Stufen“ im Rahmen der Bad Hersfelder Festspiele im Schloss Eichhof. Kurzweile ist
hier garantiert.
Der Roman von John Buchan wurde 1935 von Alfred Hitchcock verfilmt. Dabei waren viele klassische Elemente seiner späteren Filme schon enthalten: Ein Normalo gerät plötzlich in ein Komplott um Agenten, Staatsgeheimnisse, schöne Frauen und Verfolgungsjagden. Auch ein MacGuffin fehlt nicht - ein Gegenstand oder ein Geheimnis (hier: eben die "39 Stufen"), das aber im Endeffekt gar nicht so zentral ist, sondern vor allem dazu dient, die Handlung voranzutreiben.
Im Verlaufe mehrere Bearbeitungen ist aus der zwar soliden, aber stark episodenhaften und etwas altmodischen Agententhriller-Handlung eine furiose Komödie entstanden, gespickt mit zahlreichen Gags, Hommagen an das Genre und Gesangsnummern, die im Schloss Eichhof von einem bestens aufgelegten Ensemble und mit aberwitzigen bis absurden Einfällen dargeboten wird.
Stefan Kaminsky spielt Richard Hannay, der in eine Spionage-Affäre gerät, solide in Sprache, Mimik und mit vollem körperlichem Einsatz. Sarah Elena Timpe ist in drei Rollen zu sehen: als
geheimnisvolle Femme fatale, als unglückliche Ehefrau und als zufällige Begegnung, die sich in den Helden verliebt - alles etwas übertrieben gespielt, aber eben so, wie es das jeweilige Klischee
verlangt.
Das Highlight der Inszenierung sind Markus Majowski und Martin Semmelrogge, die jeweils etwa 20 unterschiedliche Rollen spielen - teils in blitzschnellem Wechsel zwischen verschiedenen Rollen und untereinander, teils in aberwitzigen Figuren wie Männern unter Laternen (mit Laternen auf dem Kopf), einem Hahn oder einer blubbernden Stelle im Moor.
Die Kulissen sind eher minimalistisch, werden aber kreativ verwendet: eine Leiter wird auch mal zu einem Bett, einer Brücke oder einer Felsspalte, eine Haustür zum Esstisch. Das Publikum hat
nicht nur reichlich zu lachen, sondern darf mit Geräuschdosen für die akustische Illusion einer Schafherde sorgen – und damit bei der einzigen Schwachstelle der Inszenierung, der nicht immer ganz
sitzenden Geräuschkulisse, aushelfen.
Positiv zu vermerken ist, dass dieses Jahr wieder der ganze Eichhof mitsamt der oberen Stockwerke einbezogen wird – wozu spielt man schließlich in einer derartigen Kulisse?
Ticket-Service: 06621 / 640200 oder ticket-service@bad-hersfelder-festspiele.de
Text: Markus Weber
Fotos: Timo Schadt/ Markus Weber
Sa
24
Jun
2017
"Wir leben in ungewöhnlichen Zeiten. Alles ist im Umbruch“, schallt es von der Bühne und meint zugleich die Zeit vor 500 Jahren wie die Gegenwart.
Man gebe einem großen Regisseur einen großen Etat, einen großen Spielort, ein großartiges Ensemble und ein großes Thema über eine große Zeit... Dr. Dieter Wedel, der Intendant der Bad Hersfelder
Festspiele, hat zum Lutherjahr einen bemerkenswerten Beitrag abgeliefert. Er hat auch dann, wenn infolge eines Streits nur einen Tag vor der Premiere ein wichtiger Schauspieler abhanden kam, ja
vielleicht gerade deshalb einen Superlativ in die Stiftsruine gebracht. Auf einer sich vielfältig verändernden Bühne mit zwei übergroßen LED-Leinwänden lässt er nicht einen Luther, sondern eine
Dreifaltigkeit auftreten: Maximilian Pulst als Luther, der Überhebliche, Janina Stopper als Luther, der Verzweifelte und Christian Nickel (Foto oben links) als Luther der Reformator und Luther
der Wutbürger.
Er hat aufwändige Einspieler produziert, die mit der Bühnenhandlung kommunizieren. Sie transportieren historische Orte und Ereignisse in die Stiftsruine.
Dr. Wedel hatte angekündigt, was er letztlich liefert: Einen höchst kritischen Blick auf den Menschen Luther. Natürlich erhebt er dabei nicht den Anspruch auf absolut historische Genauigkeit. Ein
selbst noch so begnadeter Regisseur, mit einem mächtigen Etat, kann dies nicht verwirklichen, zumal er, unweigerlich zeitlich begrenzt, ein breites Publikum unterhalten soll. Doch hat Wedel quasi
alle Aspekte zumindest angerissen, welche die Figur Luther in ihrem Kontext zur Geschichte der letzten 500 Jahre erklärt. Und, in der Tat, er stellt den gerade heute oft verklärten Luther als
Egozentriker dar. Luther war demnach machtgierig, korrupt und propagierte ohne Rücksicht auf seine Mitmenschen mit populistischen Methoden seine diffusen antijüdischen und frauenfeindlichen
Ansichten. Gerade über die Einspieler auf den Leinwänden suggeriert der Intendant, welche negativen Wirkungen Luther bis in die Gegenwart entfaltet. Er zeigt dort und auf der Bühne, welche
Mechanismen heute wie damals funktionieren: „Sie jubeln, auch wenn Du brennst“, spricht Traumbesetzung Robert Joseph Bartl (Foto oben rechts) als Kardinal Thomas Cajetan zum narzisstischen
Luther. Und Claude-Oliver Rudolh, der den Dominikaner Johann Tetzel spielt, bringt sein ewig geltendes berühmtes Zitat zum Ablasshandel: „Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Feuer
springt.“
Wedel blendet dabei nicht die positiven Einflüsse insbesondere auf die zu Luthers Zeit übermächtige römische Kirche aus. Luther war der Reformator und ein wesentlicher Veränderer der Welt. Auch
wenn er sich nicht nur eigener Thesen bediente und auch weil er trotz seiner menschlichen Schwächen bis heute zur überhöhten Galionsfigur stilisiert wird. Selbst Luthers Verdauungsprobleme
bleiben nicht unerwähnt.
Das, was das Publikum der Bad Hersfelder Festspiele mit Luther geboten bekommt, ist sicherlich kein leichter Tobak. Der Intendant biedert sich nicht dem Mainstream an, macht keine platte
Unterhaltung, sondern fordert seine Zuschauer*innen heraus. Er hat das Privileg, dabei aus dem Vollen zu schöpfen, Geld in die Hand zu nehmen, bekannte Namen in kleinen Rollen zu besetzen,
niemandem nach der Pfeife tanzen zu müssen und sein ganz persönliches Bild von Luther darstellen zu können. Den Stoff hat Wedel tief recherchiert, intensiv aufbereitet und provokativ
umgesetzt.Trotz großem Aufwand bleibt es wenig effekthascherisch. Die teils neuzeitlichen Kostüme und Bühnenbilder, symbolisieren die Zeitlosigkeit und Gegenwärtigkeit des Themas.
Dass ihm im Vorfeld ein optisch und vielleicht sogar von den Wesenszügen her passender Darsteller abhanden kam, schmälert nicht im Geringsten das Ergebnis. Es wirkt so, als hätte der Vorfall das Ensemble geradezu angespornt, noch größeres Theater abzuliefern. Die Darsteller sind dabei außerordentlich engagiert und lassen die Zuschauer*innen nicht spüren, dass hinter der Bühne ein Drama abgegangen ist. Stand die Premiere wirklich auf der Kippe? „Manchmal ist Angst zu haben, auch ein guter Schutz“, sagte Hans Diehl als Generalvikar im Stück. Wie treffend.
Text: Timo Schadt
Fotos: Timo Schadt und Markus Weber
Do
01
Jun
2017
Das tapfere Schneiderlein soll angeblich ein Bad Hersfelder sein. Sicher ist: Ab 13. Juni wird es als erstes Stück bei den diesjährigen Bad Hersfelder Festspielen zu sehen sein, und das in einem neuen Theaterzelt. Am Mittwoch, 31. Mai, bekam die Presse die Gelegenheit für erste Bilder des Ensembles und einen Einblick in die Proben.
Seit zwei Wochen laufen die Proben, weitere zwei Wochen werden sie noch dauern. Die Fotos zeigen die Schauspieler*innen in Probenkostümen, diese können eventuell noch etwas verändert werden.
Angeblich handele es sich um ein Bad Hersfelder Märchen, so Franziska Reichenbacher, die nach "Die goldene Gans" im letzten Jahr erneut
ein Grimm-Märchen inszeniert hat. Wissenschaftlich belegen ließe sich dies aber nicht. Zumindest kannten die Grimms Bad Hersfeld und dort gab es damals eine große Weber- und Tuchmacherei-Szene.
Aber Märchen hätten immer auch eine allgemeingültige Ebene und seien daher übertagbar, erklärte Reichenbacher.
Das ursprünglich ziemlich „rustikale“, vielleicht auch etwas brutale Märchen hat sie in ihrer Version verändert. Das Grimmsche Schneiderlein war ein echter Angeber und Aufschneider. Das wurde nun
umgedreht. In der Hersfelder Inszenierung reagieren die Leute auf das Schneiderlein (Sasha Bornemann, im Vorjahr als Dummling in „Die goldene Gans“ zu sehen) anders, weil sie eine andere
Vorstellung von ihm haben als früher. „Sieben auf einen Streich“ ist auch ganz beeindruckend, wenn man denkt, es handle sich um besiegte Soldaten anstatt, wie es tatsächlich ist, Fliegen. Und das
Schneiderlein selbst erlebt eine Verwandlung dadurch, dass es anders gesehen wird. Es steigt sogar zum Ratgeber des jungen Königs (Yorik Tortochaux) auf. Man darf gespannt sein.
Aus den Riesen bei Grimm sind ein starker Mann (Roland Schregelmann) und zwei „Riesen“ im Kabinett des Königs geworden, die Finanzministerin Ursula von Laschet (Elisabeth Degen) und der General
Knieper (Andrés Mendez). Außerdem werden Sarah Elena Timpe als Prinzessin, Neele Pettig (konnte bei diesem Termin nicht dabei sein) als Ellie, die Freundin des Schneiderleins, und Marcel Bartsch
in gleich drei Nebenrollen zu sehen sein.
Aufgeführt wird das Stück im Theaterzelt auf der Wiese vor der Stiftsruine. Dieses ist größer als im vergangenen Jahr und hat sich vor allem innen verändert: Wie ein Zirkuszelt wirkt es, mit
einer Tribüne für die Zuschauer. Im Bühnennereich ist neben einer Schneiderwerkstatt ein Bereich als Wald vorgesehen. Holzstreben des Zeltes werden dabei in der Phantasie der kleinen und großen
Zuschauer zu Bäumen. Am schönsten sei das Theater, das in der Vorstellung wirke, meinte Reichenbacher. Für das Stück wurde auch eigene Musik komponiert.
„Das tapfere Schneiderlein“ ist für Kinder ab 5 Jahren geeignet. Es wird vor und auch während der Schulferien aufgeführt, vom 13. Juni bis zum 8. Juli. Der Eintritt beträgt 10 Euro, Tickets gibt
es unter 06621 / 640200. Weitere Infos auf den Seiten der Bad Hersfelder Festspiele
Mehr über das Stück wird auch im nächsten printzip-Magazin zu finden sein. Es erscheint am 29. Juni.
Markus Weber
Mo
29
Mai
2017
Pressefreiheit bedeutet Meinungsfreiheit und geht deshalb alle an. Das machte Marianne Blum am „Abend für die Pressefreiheit“ klar. Infolge der Inhaftierung des Journalisten Deniz Yücel in der Türkei gab es in den letzten Wochen in mehreren deutschen Städten Kundgebungen und Solidaritätsveranstaltungen. Auch in Fulda fand am 20. Mai eine Veranstaltung unter dem Titel „Free Press – Free Laugh – Free Deniz“ im Museumscafé statt. Organisiert wurde sie von der Künstlerin und Entertainerin Marianne Blum und dem Fuldaer Schriftsteller Guido Rohm.
Vertreter*innen lokaler Medien, Politiker*in-nen von Linke bis FDP und Fuldaer Kultur-schaffende trugen Texte inhaftierter und verfolgter Journalist*innen und Schriftstel-ler*innen vor. Auch
einer der prominentesten Gegner kritischer Presse, US-Präsident Donald Trump kam zu Wort, indem eine selbstentlarvende Zusammenstellung seiner Beiträge beim Kurznachrichtendienst Twitter
vorgetragen wurde .
AfD und Republikaner hatten die Veranstal-ter*innen nicht eingeladen. In Anbetracht solcher Vorfälle, wie als die AfD Anfang Mai zu ihrer Auftaktveranstaltung für den Bundestagswahlkampf in
Großenlüder Ver-treter*innen von Fuldaer Zeitung, HR und Osthessen-News nicht hereinließen, da sie zu kritisch bericht hatten, eine durchaus nachvollziehbare Haltung.
Auch gab es Informationen über die aktuelle Lage der Pressefreiheit – und diese verschlechtert sich. „Medienfeindliche Rhetorik führender Politiker, restriktive Gesetze und politische
Einflussnahme in Demokratien haben zu einer Verschlechterung der Lage für Journalisten und Medien weltweit beigetragen“, stellt die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ in ihrer Ende April
veröffentlichten Rangliste der Pressefreiheit 2017 fest. In 60 Prozent der 180 untersuchten Länder hat sich die Situation verschlechtert. 359 Journalist*innen und Bürgerjournalist*innen sind
derzeit in Haft, in einigen Ländern ist eine Berufsausübung lebensgefährlich. Gefährdet ist Presse- und Meinungsfreiheit aber auch durch Einschränkungen, die vorgeblich im Namen der Sicherheit
erfolgen, durch immer mehr Monopolisierung in den Medien oder durch Selbstzensur und vorauseilendem Gehorsam.
Welchen Einfluss hat aber angesichts solcher weltweiten Probleme eine Veranstaltung im kleinen Fulda? Es gehe vor allem darum, einzelnen Mut zu machen, erklärte der Schirmherr der Veranstaltung,
MdB Michael Brand (CDU). Als Mitglied des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe des Bundestages, dessen Vorsitzender er bis Januar 2017 war, setzt er sich für
Parlamentspatenschaften für verfolgte Parlamentarier*innen, Menschen-rechtsaktivist*innen und Journalist*innen ein und engagiert sich für die Freilassung Deniz Yücels. Er hatte an dem Abend auch
eine ganz besondere Botschaft dabei, eine, die ihm Deniz Yücel durch seine Anwälte hatte zukommen lassen: "Liebe Fuldaer und Fuldaerinnen, sagt man das so, Fuldaer? Wenn das falsch ist, bitte ich
um Nachsicht. Ich danke den Organisatoren dieser Lesung und ich danke Ihnen allen, dass Sie zu dieser Veranstaltung gekommen sind. (…). Ich grüße Sie alle, auch im Namen meiner verhafteten türkischen Kolleginnen und Kollegen. Es tut gut zu wissen, dass ich,
dass wir, nicht alleine und von der Welt vergessen sind.“ Eine Veranstaltung wie die in Fulda gebe die Kraft, weiterzumachen, durchzuhalten, so Brand.
Engagierte, kritische Menschen, die für die Meinungsfreiheit eintreten, zu stärken: dies wird angesichts der derzeitigen politischen Entwicklungen leider weiterhin eine schwierige Aufgabe
bleiben.
Markus Weber
erschienen im printzip, Ausgabe Juni 2017
Fr
28
Apr
2017
Überlastetes Pflegepersonal, Ärzt*innen mit wenig Zeit, kaum Eingehen auf die Krankheit und individuelle Bedürfnisse – viele Patient*innen in Krankenhäusern beklagen sich über diese und ähnliche Missstände. Laut dem Statistischen Bundesamt ist trotz steigender Fallzahlen in den letzten 25 Jahren die Zahl der Betten in deutschen Krankenhäusern gesunken, die durchschnittliche Verweildauer von Patient*innen hat sich fast halbiert. Wird in den Kliniken zu viel oder an den falschen Stellen gespart? Welche Folgen oder gar Gefahren kann dies für Patient*innen darstellen? printzip-Redakteur Markus Weber hat mit Rolf Müller vom Deutschen Gewerkschaftsbund gesprochen. Er war Pfleger im Klinikum Fulda sowie Mitglied des Personalrats und des Aufsichtsrats und kann somit Einblick in Abläufe auf der Station als auch in Ursachen und Hintergründe liefern.
printzip: Wie ist die Lage in deutschen Krankenhäusern? Gibt es einen Pflegenotstand? Wenn ja, worauf ist er zurückzuführen?
Rolf Müller: Deutsche Krankenhäuser sind generell unterfinanziert. Das hat verschiedene Gründe, ist aber auch politisch teilweise so gewollt. 2003 wurde das sogenannte Diagnosis
Related Groups-System (deutsch: diagnosebezogene Fallgruppen, Abkürzung DRG, Anmerkung der Redaktion) eingeführt. Das heißt: Krankenhäuser bekommen nicht mehr anhand der Belegungstage ihre
Vergütung für die geleistete Arbeit, sondern einen Festbetrag pro Fall. Dieses System ist darauf ausgerichtet, immer günstiger zu werden. Es wird häufig Druck ausgeübt auf einzelne
Klinik-leitungen, wirtschaftlich belastbare Zahlen zu liefern.
printzip: Die Einsparungen sind beabsichtigt?
Rolf Müller: Die Politik geht davon aus, dass es zu viele Krankenhausbetten gibt. Insofern ist der ganze Wettbewerb darauf ausgelegt, dass Krankenhäuser, die sich nicht gut genug
organisieren, die Pforten schließen. Die Behandlung war früher ausschließlich daran orientiert, was die jeweiligen Chefärzte vorgegeben haben und in der Regel am Patientenwohl orientiert.
Mittlerweile hat sich das leider leicht geändert.
printzip: Welche Folgen kann diese Umstellung für Patienten haben?
Rolf Müller: Es kommt zum Beispiel häufiger zu sogenannten „blutigen Entlassungen“. Patienten werden sehr bald nach einer OP oder nach einer Behandlung wieder entlassen. Früher
war es so, dass man den Patienten auch einmal übers Wochenende behalten hat. Das tat dem Patienten gut und das Krankenhaus bekam die Tage bezahlt. Mittlerweile ist es so, dass das Krankenhaus
dann ein Minus macht. Es gibt Krankenhäuser, wie das Klinikum Fulda, die sogar eine sogenannte DRG-Ampel betreiben. Die jungen Ärzte sehen dann quasi am virtuellen Grün, Gelb und Rot, dass sie
einen Patienten entlassen müssen. Das führt dazu, dass Patienten dann auch entlassen werden oder zumindest in eine Anschlussheilbehandlung verlegt, aber möglicherweise die Behandlung tatsächlich
noch nicht abgeschlossen ist. Dagegen sollen keine Patienten mehr während der Behandlung verlegt werden, selbst wenn dies medizinisch sinnvoll wäre, zum Beispiel wenn keine Intensivbetten mehr
frei sind, denn das würde den Gewinn schmälern.
printzip: Also ist die Behandlung der Patienten insgesamt schlechter geworden?
Rolf Müller: Aus meiner Sicht und der vieler Kollegen hat sich die Krankenhausbehandlung nach Einführung der DRGs nicht verbessert. Sie geht jetzt beschleunigter, organisierter,
aber teilweise auch nicht mehr auf individuelle Bedürfnisse von Patienten eingehend voran. Wenn das Krankenhaus Gewinne machen soll, muss die Behandlung schnell gehen. Es müssen lukurative Fälle
und viele Privatpatienten behandelt werden. Vor allem alte und chronisch Kranken sind die Verlierer dieses Systems. Es ist keine Zeit für Gespräche oder lange Erklärungen, weil alles
wirtschaftlich durchorganisiert ist.
printzip: Wird am Personal gespart?
Rolf Müller: Weil Krankenhäuser unterfinanziert sind, nehmen sie einen Teil des Geldes, das eigentlich für Pflegepersonal da ist und nutzen es, um Investitionen zu tätigen.
Betriebsmittel, laufende Kosten, Gehälter laufen über die DRGs. Gebäude und die Anschaffung von Großgeräten sollen eigentlich über die Länderhaushalte finanziert werden. Das Problem ist, das
System funktioniert nicht mehr. Die Länder haben kein Geld. Mittlerweile wurde in Hessen umgestellt auf eine pauschale Finanzierung. Die Krankenhäuser werden nicht mehr nach Bedarf gefördert,
sondern bekommen Geld entsprechend eines bestimmten Schlüssels, anhand der Anzahl der Betten oder des Versorgungsgrades. Das Klinikum Fulda hat als Maximalversorger einen hohen Schlüssel, aber
die Mittel sind pauschal. Wenn wir wie jetzt Krankenhausbau stemmen müssen, um wieder eine vernünftige Operationsabteilung zu haben, dann wird entsprechend gespart, zum Beispiel am
Pflegepersonal. Und das merkt der Patient natürlich.
printzip: Gibt es Vorschriften zur Anzahl der Patienten pro Krankenpfleger?
Rolf Müller: Es ist ein ordnungspolitisches Versäumnis, dass es im Krankenhaus keine gesetzliche Vorschrift wie etwa in Seniorenheimen gibt. Wie viel Pflegepersonal ein Träger
einsetzt, ist am Ende der Krankenhausverwaltung überlassen. Das Grundprinzip dort ist sparen, sparen, sparen zu Lasten der Patienten. Es gibt klare Studien, die einen Zusammenhang zwischen dem
Anstieg der Mortalität in Krankenhäusern beim Einsatz von zu wenig, zu jungem oder zu schlecht ausgebildetem Pflegepersonal belegen.
printzip: Also ist das alles sogar gefährlich für die Patienten?
Rolf Müller: Durch die hohe Belastungssituation in Krankenhäusern kommen viele Kollegen wirklich an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Wenn sie wie im Klinikum Fulda als einzelne
Gesundheits- und Krankenpflegerin Nachtdienst auf einer Station mit 42 Patienten machen, sind sie sofort an ihren Grenzen. Da können sie eigentlich in der Nacht noch nicht mal sicherstellen, dass
niemand stirbt. Es gibt eine ständige Gefährdung der Gesundheit der Patienten und der Beschäftigten durch die Unterbesetzung. Diese Unterbesetzung ist gezielt und sie ist gewollt und das ist der
eigentliche Skandal.
printzip: Wie sieht diese Unterbesetzung genau aus, etwa in Fulda?
Rolf Müller: Es gibt einen Besetzungsschlüssel. Der wird in vielen Fällen leider auch nicht eingehalten, weil er nicht mit einkalkuliert, dass Beschäftigte auch einmal krank
sind. In der Regel bedeutet das für das Klinikum Fulda auf einer durchschnittlichen 38- oder 40-Betten-Station circa 17 Pflegepersonen. Damit muss die Stationsleitung 365 Tage im Jahr drei
Schichten abdecken. Die Regel soll sein: drei Pflegepersonen in der Frühschicht, zwei in der Spätschicht und ein oder zwei in der Nachtschicht.
printzip: Und was wäre Ihrer Meinung nach ein angemessenes Verhältnis von Pflegepersonal zu Patienten?
Rolf Müller: Auf einer Normalstation würde ich sagen eins zu sechs. Dann würde man halbwegs vernünftige, wirklich qualifizierte Krankenpflege leisten können. Man könnte jedoch
einfach auch die von Experten der Bundesregierung ursprünglich geschaffene Pflegepersonalregelung wieder in Kraft setzen.
printzip: Was sagen Sie zum Auslagern von Tätigkeiten des Krankenhauses an externes Personal?
Rolf Müller: Es gibt da ganz bedrohliche Bestrebungen. Eine ganze Reihe von Tätigkeiten, die früher von Beschäftigten des Klinikums Fulda unter Tarifvertragsbindungen gemacht wurden, wurden
beendet. Das Grundprinzip ist, Kosten zu senken. Dabei wird wenig auf die Qualität und auf gute Arbeit geachtet. Wir wollen ja auch, dass die Beschäftigten, die etwa von Reinigungs- und
Hilfstätigkeiten leben, vernünftig bezahlt werden. Und das passiert eben nicht.
printzip: Hat das Outsourcing auch Konsequenzen für die Patienten?
Rolf Müller: Wir hatten im Klinikum Fulda zum Beispiel eine eigene Wäscherei, die zu wirtschaftlichen Bedingungen gearbeitet hat. Sie ist mittlerweile geschlossen und das Waschen
der Wäsche ist outgesourct an einen externen Wäschereidienst. Die Folge ist, dass jetzt das Bestreben vorherrscht, weniger Wäsche zu haben. Früher wurde jeden Tag mindestens das Stecklaken
gewechselt, auf dem der Genitalbereich des Patienten liegt. Seit es keine Stecklaken gibt, müsste eigentlich bei jedem Patienten täglich der Spannbettbezug gewechselt werden. Das passiert aber
aus Personalknappheit nicht. Es gibt Patienten, die liegen während eines vier- oder fünftägigen Aufenthalts die ganze Zeit in derselben Wäsche. Dafür kommen beim Privatpatienten jeden Tag
Reinigungskräfte und beziehen das Bett frisch und die Privatpatienten haben auch besondere Kissen.
printzip: Also gibt es in der Behandlung von Privat- und Kassenpatienten einen Unterschied?
Rolf Müller: Ich kann klar sagen, dass es zurzeit noch keinen Unterschied in der Pflege gibt. Natürlich ist es so, dass Privatpatienten einen bestimmten Unterbringungsstandard
haben. Sie liegen im Einzel- oder Doppelzimmer und nicht im normalen Dreibettzimmer. Es wird zentral entschieden, welches Bett mit welchem Patienten belegt wird. Das hat zur Konsequenz, dass
Einzel- und Doppelzimmer für kommende elektive Privatpatienten freigehalten werden - wobei es möglicherweise Kassenpatienten gibt, die eigentlich unbedingt ein Einzelzimmer bräuchten, wegen ihrer
Keimbesiedelung oder aufgrund ihres Zustandes. Es kommt auch immer wieder zu sogenannten Außen-
liegern, die nicht auf der jeweiligen Station liegen. Diese sind gefährdeter.
printzip: Was könnte dagegen unternommen werden?
Rolf Müller: Man müsste eine bestimmte Reserve bilden. Aber das System sagt: Ich muss, wenn möglich, 100 Prozent Belegung erreichen - eigentlich immer. Was die Krankenhausleitung
sogar gezielt vermeidet, ist eine Bettensperrung. Wenn zum Beispiel ein Patient mit einer ansteckenden Erkrankung in einem Zimmer gelegen hat, muss es erst mal grundgereinigt werden. Das dauert
seine Zeit, da kann man nicht sofort wieder neu belegen.
printzip: Und was ist die Folge, wenn solch eine Bettensperrung gezielt vermieden wird?
Rolf Müller: Es muss dann eben schneller gehen. Wir hatten im Klinikum eine Bettenzentrale, die wurde geschlossen. Danach wurden die Betten in kleinen Räumen auf den Stationen
von Mitarbeitern der KFD aufbereitet, der tarifvertragslosen Servicetochter des Klinikums Fulda. Das ist natürlich extrem schwierig. Sie müssen die Matratze runternehmen, das Bett richtig an
allen Stellen abwischen, sie machen das alleine. Nach zwei Jahren musste es dann wegen Auflagen des Gesundheitsamtes wieder zentralisiert werden. Früher wurden auch die Matratzen regelmäßig
dampfsterilisiert. Das passiert jetzt gar nicht mehr. Die Matratzen sind in waschbaren Überzügen versehen. Die werden abgewaschen, das war‘s.
printzip: Das Klinikum Fulda wurde 2004 von einem städtischen Eigenbetrieb in eine gemeinnützige Aktiengesellschaft umgewandelt. Was waren die Gründe und die Folgen?
Rolf Müller: Ursprünglich wollte man eine private Aktiengesellschaft als Rechtsform, weil man sagte, da gingen die Entscheidungsprozesse schneller, man müsse keine der kommunalen
Entscheidungsgremien mehr abwarten, sondern könne das quasi betriebsintern regeln. Dem würde ich bis zu einem bestimmten Grad sogar zustimmen. Was ich bemängele an diesem System: Es gibt keine
Nachhaltigkeit mehr in der Vorstandsarbeit. Und faktisch sind wir jetzt weniger am Patientenwohl orientiert. Es wird immer damit argumentiert, das Patientenwohl müsse über allem stehen. Tut es
aber nicht. Was über allem steht, ist das Geld. Es sollen ganz viele Patienten behandelt werden und die Abrechnungen möglichst schnell passieren. Die Vorstände und viele Chefärzte haben
mittlerweile Verträge, die auch Zielvorgaben beinhalten, sie werden also auch am Erfolg gemessen. Und der Erfolg eines Unternehmens, auch eines Krankenhauses, bemisst sich scheinbar nur noch an
der Rentabilität.
printzip: Wäre eine Rückführung in einen städtischen Eigenbetrieb eine sinnvolle Maßnahme?
Rolf Müller: Ich habe gar kein Problem damit, dass das Klinikum Fulda eine Aktiengesellschaft ist. Es muss aber klar sein: wir sind ein kommunales Klinikum, wir haben eine
kommunale Aufgabe und wir haben keine Aktionäre, keinen Shareholder-Value zu befriedigen. Ein Krankenhaus ist nicht dazu da, Profite zu machen. Wenn ein Krankenhaus Profite macht, liegt das auch
daran, dass Patienten falsch behandelt werden.
printzip: Dennoch ist auch eine vollständige Privatisierung des Klinikums Fulda möglich.
Rolf Müller: Politisch wird das im Moment glücklicherweise völlig ausgeschlossen. Das Klinikum ist ein kommunaler Betrieb zu 100 Prozent und soll es auch bleiben. Durchaus gab es
in den letzten Jahren aber Ansätze, wo uns der Vorstand mit Billigung des damaligen Oberbürgermeisters damit gedroht hat, große Teile der Beschäftigten in
tarifvertragslose Töchter auszugliedern, zum Beispiel die Radiologie, das Labor, die Technik und die Küche. Das halte ich für unsozial und kontraproduktiv, weil es die Beschäftigten dauerhaft
unter Ängste setzt.
printzip: Gibt es Unterschiede zwischen privaten Krankenhäusern und solchen im öffentlichen Eigentum?
Rolf Müller: Ich habe als Rettungsassistent eine ganze Reihe von Krankenhäusern über Jahre angefahren - und kann sagen, dass man in vollständig privatisierten Krankenhäusern in
der Regel zum Beispiel keine vernünftige Notaufnahme hat. Notfallpatienten kosten Geld und damit befassen sich private Krankenhäuser ungerne. Und sie versuchen häufiger Patienten nicht
aufzunehmen, die chronisch krank oder älter sind. Was sie betreiben, ist eine „Rosinenpickerei“, indem sie sich auf Geschäftszweige, aus denen eine hohe Rendite rauszuholen ist, spezialisieren.
Do
02
Feb
2017
Käse ist sehr vielfältig, und so ist auch sein Ruf. Eine pauschale Bewertung, wie gesund Käse ist, gibt es nicht. Die körperlichen und gesundheitlichen Voraussetzungen spielen bei diesem
Lebensmittel eine große Rolle.
Gefahren durch Rohmilch?
Ob von Kuh, Schaf oder Ziege: Ausgangspunkt für die Käseherstellung ist Milch. Je nach Sorte wird Rohmilch oder pasteurisierte Milch verwendet. Beim Pasteurisieren wird sie kurz auf mindestens 75
Grad erhitzt, wodurch die Keimzahl reduziert und die Haltbarkeit erhöht wird. Können Rohmilch und Rohmilchkäse gesundheitliche Gefahren bergen? In der Tat ist es möglich, dass Rohmilch durch die
fehlende Pasteurisierung mit Bakterien, den Listerien, befallen sein kann. Eine sorgfältige Beachtung der Hygiene bei Herstellung und Lagerung kann dies aber verhindern. Schwangeren,
Kleinkindern, Alten und Menschen mit schwachen Abwehrkräften wird empfohlen, Rohmilchprodukte zu vermeiden, da Listerien, falls doch vorhanden, für sie gefährlich werden könnten.
Weitere Inhaltsstoffe und deren Auswirkungen
Damit die Milch dick und zu Käse wird, werden ihr entweder Milchsäurebakterien oder das Enzymgemisch Lab zugesetzt. Lab kann tierisch sein und aus der Magenschleimhaut von Kälbern stammen. Es
gibt aber auch mikrobielle Labaustauschstoffe. Jedoch sind diese bei etwa einem Viertel der weltweit produzierten Käsesorten durch gentechnisch veränderte Bakterien, Hefen oder Schimmelpilze
hergestellt. Laut EU-Lebensmittel-Informationsverordnung darf bei Käse die Zutatenliste fehlen, wenn nur die genannten Zutaten plus Salz verwendet wurden. Ist er darüber hinaus mit dem
Anti-Pilz-Mittel Natamycin (auch als E 235 oder Konservierungsstoff deklariert) behandelt, sollte die Rinde großzügig abgeschnitten werden. Andere Zusatzstoffe sind für die meisten Menschen
unbedenklich. Raucher*innen sollten aber darauf achten, nicht zu hohe Dosen Beta-Carotin (E 160a) und Annatto (E 160b) zu sich zu nehmen, da diese das Lungenkrebsrisiko erhöhen könnten. Da Käse
natriumreich ist, sollte er bei Bluthochdruck eher wenig verzerrt werden.
Viel Eiweiß, aber manchmal auch viel Fett
Käse enthält viel Eiweiß und kaum Kohlenhydrate; viele Sorten so gut wie keine. Allerdings kann er auch viel Fett enthalten und sollte dann nicht zu oft gegessen werden. Anhand des Fettgehalts
der Trockenmasse („Fett i.Tr.“) gibt es Sortenbezeichnungen: Mager- (weniger als 10 % Fett i. Tr.), Viertelfett- (mindestens 10 %), Halbfett- (20 %), Dreiviertelfett- (30%), Fett- (40 %),
Vollfett- (45 %), Rahmfett- (50 %) und Doppelrahmstufe (60 %). Was genau jede Stufe zu bedeuten hat, dürfte wenigen klar sein - daher ist es sinnvoll, im Zweifel nach der Angabe des Fettgehalts
zu schauen.
Käseersatz: Mogelpackung oder vegetarische Alternative?
„Analog-Käse“ ist nicht oder nur teilweise aus Milch hergestellt und beinhaltet als Ersatz tierische oder pflanzliche Fette, Aromen und Zusatzstoffe. „Käse“ als Bezeichnung, auch als
Namensbestandteil, ist hierbei jedoch verboten. Aus gesundheitlicher Sicht ist zu sagen, dass das in ihm enthaltene pflanzliches Öl oft mehr ungesunde gesättigte Fettsäuren enthält und Kalzium
fehlt. Jedoch ist mancher Käseersatz durchaus eine Variante für Veganer*innen und kann einen Eiweißlieferanten darstellen. So gibt es veganen Käse aus Kokosöl und Kartoffelstärke oder - gesünder
- aus Nüssen, Soja oder Hefeflocken.
Allergien gegen Laktose und Milcheiweiß
Bei einer Laktoseintoleranz kann Milchzucker aufgrund eines Enzymmangels nicht verdaut werden. Die Anteile der Betroffenen variieren je nach ethnischer Herkunft sehr stark. Während Menschen mit
afrikanischen und asiatischen Wurzeln zu über 90 Prozent betroffen sind, belaufen sich die Schätzungen für Menschen nord- und westeuropäischer Abstammung auf 5 bis 15 Prozent. Die
Lebensmittelindustrie habe es aber geschafft, laktosefreies Essen zu einem modernen Lifestyleprodukt zu machen, so Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale Hamburg. Laktosefreie Lebensmittel
seien oft teuer und in vielen Fällen überflüssig. Während laktosefreie Milch eine gute Alternative bei Intoleranz ist, sind viele andere Lebensmittel, wie extra als laktosefrei verkaufte Schnitt-
und Hartkäse, Brot oder Putenaufschnitt unnötig, da in ihnen von Natur aus gar kein oder sehr wenig Milchzucker enthalten ist. Frisch- und Weichkäse enthalten dagegen mehr Laktose.
Daneben gibt es auch Allergien gegen Milcheiweiße. Das kann eine Allergie gegen Molkeneiweiß sein, das nur in Kuhmilch enthalten ist. Auch möglich ist eine Allergie gegen Casein, das nicht
tierartspezifisch ist. In dem Fall müssen alle Milcharten vermieden werden. Das gesamte Milcheiweiß ist laut Institut für Ernährungsinformation (www.ernaehrung.de) in Trinkmilch, Buttermilch,
Sauermilch, Joghurt und Kefir enthalten, wohingegen Quark oder Käse fast nur Casein
enthalten.
Text und Foto: Markus Weber
erschienen im printzip, Ausgabe 2/2017
Fr
06
Jan
2017
Auf dem Boden eines Abteils spielen Kinder mit einer Holzeisenbahn. In speziellen Themen-Abteils - wie diesem - können Näh- und Häkel-Begeisterte, Brett- oder Kartenspieler*innen oder vernetzungswillige Start-Up-Unternehmer*innen zueinanderfinden. Das neue Eisenbahnunternehmen Locomore bietet Zugfahrten der etwas anderen Art. printzip-Redakteur Markus Weber war bei der Premierenfahrt am 14. Dezember 2016 dabei.
Einmal täglich verkehrt seitdem der Locomore-Zug zwischen Stuttgart und Berlin-Lichtenberg, mit Halt unter anderem in Frankfurt/Süd, Hanau, Fulda und Kassel-Wilhelmshöhe. Tickets sind unter
www.locomore.com
zu erwerben. Die Fahrpreise sind variabel, sie richten sich nach der Nachfrage. So sind Karten von Fulda nach Berlin an manchen Tagen schon für 15 Euro erhältlich, an anderen für 45 Euro. Der
maximale Preis von Stuttgart nach Berlin beträgt 65 Euro. Die Kosten liegen immer unter dem Bahncard-50-Preis der Deutschen Bahn, erklärt Dirk Ladewig, Gründer von Locomore. Bei der Buchung wird
automatisch ein Sitzplatz reserviert. Es können auch Spontanfahrer*innen einsteigen und an Bord bezahlen, Stehplätze gibt es zur Not auch, falls alles besetzt ist.
Die Fahrt ist ein bisschen wie eine Zeitreise: Die Züge sind umgebaute ICs aus den 70er Jahren. Neben den Themen-Abteilen, in denen Reisende Gleichgesinnte treffen können, gibt es auch Einzel-,
Ruhe- und Business-Abteile. Alle sind ähnlich ausgestattet: Sechs Plätze mit gepolsterten Sesseln, die sich auch als Liegen ausklappen lassen. Die Business-Abteile bieten noch mehr Platz: Hier
werden nur drei Plätze besetzt, außerdem gibt es ab 60 Minuten Fahrt ein Getränke, einen Snack gratis und ohnehin Zeitungen – dafür kostet die Fahrt mehr. Auch Großraumabteile sind vorhanden,
hier sind die Sitze mit beigem Leder bezogen. Das WLAN ist kostenlos und funktionierte bei der Probefahrt ohne Probleme. Auch die Deutsche Bahn bietet ab 1. Januar 2017 kostenloses WLAN in allen
ICEs. Speisen und Getränke werden am Platz aus einem Rollwagen serviert. „Service und Ticketkontrolle finden parallel statt. Es soll einen klaren Focus auf den Service geben, dass nicht
‚Fahrkarten bitte‘ im Vordergrund steht, sondern ‚Was kann ich Ihnen anbieten?‘“ erläutert Kathrin Seiler, Geschäftsführerin von Locomore gegenüber dem printzip.
Das Verpflegungsangebot ist recht vielfältig, zum großen Teil ökologisch, es gibt auch vegetarische, vegane und glutenfreie Speisen. Der fair gehandelte Gepa-Filterkaffee kostet für 0,2 Liter 1,80 Euro. Es gibt aber kein Bordbistro, was einige Passagiere vermissen mögen.
Fr
16
Dez
2016
Was kann ich tun, wenn ich nicht möchte, dass mit meinem Geld Kinderarbeit, Waffenproduktion oder Kohle- und Atomkraft finanziert werden? Kann mein Geld auch etwas Gutes tun? Und muss ich
dafür auf Rendite verzichten? Es ist durchaus möglich: Mit Geldanlagen lässt sich nicht nur Rendite erzielen, sondern auch Positives bewirken. Und genauso muss umgekehrt mit ethischen Kriterien
nicht zwingend auf Rendite verzichtet werden.
Ob Girokonto, Tagesgeld oder Sparbuch: Zu jedem konventionellen Sparprodukt gibt es eine ethisch-ökologisch Variante. Genauso sind ethisch und ökologisch korrekte Fonds und unternehmerische
Beteiligungen möglich. Jedoch kann die Marktlage auf den ersten Blick etwas unübersichtlich erscheinen, da bei der Geldanlage Begriffe wie „nachhaltig“ oder „klimafreundlich“ nicht geschützt sind
und es keine Mindeststandards gibt.
Was bedeutet Nachhaltigkeit? Nachhaltigkeit besteht aus drei Komponenten: ökologische und soziale Nachhaltigkeit; dazu kommt die ökonomische Nachhaltigkeit. Es muss sicher sein, dass
beispielsweise das Unternehmen, in das investiert wird, nicht morgen bereits Pleite geht. Auch eine verantwortliche Unternehmensführung und Transparenz sollten zu diesem Punkt zählen. Nachhaltige
Geldanlagen sind als Produkte zu verstehen, die in ihrem Anlageprozess und in ihrer Finanzanalyse ethische, ökologische und soziale Aspekte mit einbeziehen und eine Anlagestrategie mit klaren
Grundsätzen formulieren.
Die meisten Menschen haben aber verschiedene persönliche Vorstellungen und Schwerpunktsetzungen zur Nachhaltigkeit - auch, wenn sie in diese investieren wollen. „Man muss sich vorher genau im
Klaren sein, was man will“, erklärte Bernhard Engl, Mitglied im Vorstand des Forums nachhaltige Geldanlagen, während einer Veranstaltung im Rahmen der Fuldaer Energiesparwochen im Umweltzentrum
Fulda Mitte November. Seine Organisation versteht sich als Netzwerker der nachhaltigen Finanzbranche. Laut Engl sollten Anleger*innen wissen, welche Bereiche sie ausschließen und welche sie
besonders fördern wollen. Manch eine interessierte Person möchte vielleicht ihr Geld nicht in Glücksspiel oder Pornographie anlegen, während eine andere stärker in bestimmte Themenfelder wie
Erneuerbare Energien oder fairen Handel investieren will.
Wie lässt sich messen, wie weit ethische und ökologische Kriterien bei der Geldanlage berücksichtigt werden? Ein Anbieter von Anlagen kann bestimmte Ausschlusskriterien aufstellen und auch
gezielte (themenbasierte) Investitionen vornehmen. Außerdem lässt sich ein „Best-in-Class-Ansatz“ nutzen: Es wird in die Unternehmen investiert, die die höchsten Maßstäbe im Umweltschutz oder
Sozialstandards in einer Branche haben. Schließlich kann der Finanzdienstleister durch eigenes Engagement versuchen, Verbesserungen in den Unternehmen, in die er investiert, durchzusetzen.
Wer können die Anbieter solcher Geldanlagen sein? Die Bankwechsel-Kampagne „Krötenwanderung“ von Attac hat verschiedene Banken unter die Lupe genommen. Kriterien waren dabei, ob sie beispielsweise an Nahrungsmittelspekulation beteiligt sind, in Rüstungs- und Atomindustrie investieren, in Schattenfinanzplätzen aktiv oder demokratisch und transparent sind. Am besten schneiden die vier Banken GLS Bank, EthikBank, Triodos Bank und Umweltbank ab. Außer der Umweltbank bieten sie alle auch Giro-Konten an. Eine Möglichkeit für christlich eingestellte Menschen sind auch Kirchenbanken. Sparkassen und Genossenschaftsbanken befinden sich im Mittelfeld. Sie unterscheiden sich aber lokal - hier lohnt sich also der genaue Blick hinter die Kulissen. Deutsche Bank oder Commerzbank erhalten dagegen eine negative Wertung. Neben ausführlichen Hintergrundinformationen liefert die Internetseite www.attac.de/kampagnen/bankwechsel praktische Tipps zum Bankwechsel.
Für wen lohnt es sich, sich über weitere Formen der Geldanlage über Girokonto, Tagesgeld oder Sparbuch hinaus Gedanken zu machen? Erst wenn die Liquidität gesichert, eine Altersvorsorge aufgebaut und alle Schulden abbezahlt sind, ist dies oft sinnvoll, rät Bernhard Engl. Die „klassischen“ Ziele der Geldanlage sind Sicherheit, Liquidität und Rendite. Auch wenn Ethik und Nachhaltigkeit dazu kommen, sollten diese drei Punkte gesichert sein.