A Long Way Down

Selbstmord als Hauptthema eines Stücks – keine leichte Herausforderung. Mit „A Long Way Down“, das im Rahmen der Bad Hersfelder Festspiele am Samstag im Schloss Eichhof erstmals als Theaterstück aufgeführt wurde, aber ist eine warmherzige Tragikomödie gelungen.
Nicht ganz so leichtfüßig wie bei manch anderen Stücken im Eichhof ging es zu, wenn auch beileibe nicht todernst. Denn immer wieder gibt es Gelegenheit, mit den (und nicht über die) vier Protagonisten zu lachen.

 

Auf dem Dach eines Londoner Hochhauses kommt es in der Silvesternacht zu einer ungewöhnlichen Begegnung. Vier Menschen laufen sich über den Weg, die sich umbringen wollen. Martin, ehemaliger Fernseh-Moderator, saß im Gefängnis, da er mit einer 15-jährigen geschlafen hat. Maureen hat einen  19-jährigen schwerstbehinderten Sohn und seine Pflege beansprucht ihr ganzes Leben. JJ gibt an, an einer unheilbaren Krankheit zu leiden (später stelle sich heraus, dass seine Band sich aufgelöst und seine Freundin sich von ihm getrennt hat). Jess stalkt einen Typen namens Chas, mit dem sie einmal geschlafen hat und der sich nicht bei ihr meldet.

Da die anderen der Meinung sind, dass das doch kein Grund ist, sich umzubringen, beschließen sie, ihr zu helfen. Als nächsten „Termin“ für den Selbstmord setzten sie Valentinstag fest. In den kommenden – und immer mehr werdenden - Wochen helfen sie sich gegenseitig. Sie überlegen, durch welche Punkte ihnen ihr Leben nicht mehr so unerträglich scheinen würde. Am Ende gibt es kein wundersames Happy End, bei dem plötzlich alles gut wird, aber eine glaubwürdige, schrittweise Verbesserung, durch die die vier auch die positiven Seiten zu erkennen beginnen.

Neben Peter Englert, der in mehreren Nebenrollen zu sehen ist, stehen den größten Teil des Stückes vier Darsteller auf der Bühne. Karsten Speck spielt Martin klug und der Rolle gemäß leicht arrogant. Pikant (oder gewollt?) dabei: Speck saß selbst im Gefängnis, wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs und Steuerhinterziehung.„Die Figur hat nichts mit mir zu tun. Man muss kein Mörder sein, um einen Mörder zu spielen“, sagt er, aber auch: „Ich kann mir vorstellen, wie er sich fühlt und das sehe ich positiv. Ich glaube, es ist uns gelungen, die entscheidenden Charaktere herauszuarbeiten ...“ Womit er Recht hat: Natascha Hirthe spielt Maureen darstellerisch etwas hölzern, etwas wie in diesen alten deutschen Fernsehfilmen - aber das passt auch zu dem eher spröden Charakter. Helena Sigal wirkt etwas übertrieben nervig, wie es die Rolle hergibt, und bleibt eigentlich das ganze Stück recht oberflächlich. Mick Riesbeck ist als JJ dagegen ruhiger und reflektierter und den Typ Straßenmusiker nimmt man ihm sofort ab.

Der 2005 erschienene Roman von Nick Hornby war 2014 unter anderem mit Pierce Brosnan verfilmt worden. Von der Dramaturgin der Bad Hersfelder Festspiele. Bettina Wilts wurde er  nun erstmals für die Bühne bearbeitet.
 Regie führte Christian Nickel, der in den letzten Jahren als Hauptdarsteller in „Hexenjagd“ und „Martin Luther – Der Anschlag“ bei den Bad Hersfelder Festspielen Kritiker und Publikum begeisterte. Über das Stück sagt er „Mit klugem Humor erzählt Nick Hornby von der Brutalität und Einsamkeit des Großstadtlebens und von dem menschlichen Bedürfnis nach gegenseitiger Wahrnehmung, ein Thema, das erst einmal nicht zum Lachen reizt. Doch genau diese Herausforderung gefällt mir: auf der Bühne zu zeigen, wie aus Verzweiflung Lebensfreude und Lachen entstehen kann und daraus einen unterhaltenden Abend mit Tiefgang zu machen.“ Und die Herausforderung hat Nickel gemeistert.

Allein das  Bühnenbild ist enttäuschend, man hätte sich von diesem im Vorfeld mehr erwarten können: das Hochhaus wird einfach durch eine bedruckte Wand im Hintergrund auf der Bühne dargestellt. Die Kulisse des Eichhofs wird kaum genutzt.

Doch warum es nicht wie die Protagonisten des Stückes machen: die positiven Seiten sehen, von denen es bei dieser Inszenierung genug gibt. Dann steht einem schönen Theaterabend nichts im Weg.

Text & Fotos: Markus Weber

 

in36.de

 

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