Diabetes

 

Dr. Martin Raschke ist Oberarzt des Reha-Zentrums Mölln. Klinik Föhrenkamp. printzip-Mitarbeiter Timo Schadt sprach mit dem 61-jährigen Diabetologen über die Behandlung von Diabetes.

 

Es gibt immer mehr Diabetiker. Woran liegt das?
Das ist sicher unserem Wohlstand geschuldet. Reichliches Nahrungsangebot bei reduzierter körperlicher Aktivität führt zu Übergewicht und das wiederum zum Typ 2 Diabetes.

 

Was sind Alarmzeichen für diese Erkrankung?
Typische Alarmzeichen sind starkes Durstgefühl, Mattigkeit, Müdigkeit, Gewichtsverlust. Aber meistens gibt es gar keine Alarmzeichen.

 

Ist Diabetes eine Erbkrankheit?
Erbkrankheit ist nicht ganz richtig. Die Veranlagung zu Diabetes wird vererbt. Es muss als Hauptfaktor das Übergewicht hinzukommen. Vielleicht sind es auch noch andere Umweltfaktoren, aber die Vererbung alleine führt ganz selten zu Diabetes.

 

Landläufig geht man davon aus, Diabetiker dürfen keinen Zucker zu sich nehmen. Stimmt das?
Das stimmt heute so nicht mehr. In Deutschland hat es lange gedauert, bis man sich dazu durchgerungen hat. Aber seit etwa 1995 ist auch in offiziellen Empfehlungen das Zuckerverbot gefallen.

 

Es gibt Vorurteile in der Bevölkerung gegenüber Diabetikern. Wie lassen die sich entkräften oder ist an ihnen etwas dran?
Was mir spontan einfällt, ist, dass die Diabetiker schuld an ihrem Diabetes seien, wegen des Übergewichts. Dass sie sich nicht an die Ernährungsregeln halten. Also, sich insgesamt nicht an das halten, was sie tun sollten.
Da ist sicherlich was dran. Wir sind inzwischen aber so weit, dass mehr als die Hälfte der Menschen übergewichtig ist in unserem Land. Das betrifft also nicht die Minderheit, sondern die Mehrheit. Die Lösung dieses Problems hat ja nun leider noch keiner.

 

Darf man Diabetes als Behinderung bezeichnen?
Im Grunde nicht. Beim Versorgungsamt kann eine Behinderung beantragt und auch zugesprochen werden, wenn das tägliche Leben durch die Erkrankung und die notwendige Therapie, zum Beispiel die Notwendigkeit Blutzucker zu messen sowie Insulin zu spritzen, deutlich eingeschränkt werden. Dann kann eine Behinderung anerkannt werden. Das betrifft in erster Linie Typ 1 Diabetiker. Wenn keine zusätzlichen Krankheiten bestehen, dann werden Typ 2 Diabetiker nicht die ominösen „50 Prozent“ erreichen, um eine Behinderung zu erlangen.

 

Was unterscheidet Typ 1 vom Typ 2?
Der Unterschied liegt eigentlich in der Entstehung dieser Erkrankung. Beim Typ 1 Diabetes werden die Insulin bildenden Zellen in der Bauchspeichdrüse zerstört. Der wesentliche Punkt beim Typ 2 Diabetes ist, dass das weiterhin gebildete Insulin an den Körperzellen nicht gut wirkt.

 

Ist Diabetes heilbar?
Heute, nein.

 

Wie kommt das?
Zum Typ 1, der von der Entstehung her ganz anders als der Typ 2 ist: Die Zerstörung der Insulin bildenden Zellen kann man nicht rückgängig machen und bis heute auch nicht aufhalten, wenn man das frühzeitig entdecken könnte.

Beim Typ 2 wäre eine „Heilung“ möglich, also eine Normalisierung des Blutzuckers, wenn die Menschen ihr Gewicht deutlich reduzieren und sich mehr körperlich betätigen würden. Die geerbte Veranlagung bleibt aber bestehen.

 

 …was in der Praxis aber seine Tücken hat.
Richtig.

 

Wie wird Diabetes gegenwärtig behandelt?
Der Typ 1 muss mit Insulin behandelt werden, weil das ja fehlt und ohne Insulin ein Leben nicht möglich ist.

Beim Typ 2 steht an erster Stelle eine gesunde Ernährung, dazu kommen sehr häufig Medikamente in Form von Tabletten oder schließlich auch eine Insulinbehandlung.

 

Sie setzten in der Reha-Klinik Föhrenkamp auf eine Mischung aus gesunder Ernährung und Bewegung. Gelingt es Patienten dies in den Alltag mitzunehmen?
Dem einen mehr, dem anderen weniger. Das im Alltag umzusetzen, ist schon schwierig.

 

Was hat sich an der Behandlung von Diabetes in den letzten Jahren verändert?
Die grundlegenden Dinge haben sich nicht sehr verändert.
Neue Insulinsorten bieten manche Vorteile. Für den Typ 1 gibt es als ausgefeilteste Therapie Insulinpumpen. Die gibt es eigentlich auch schon über 25 Jahre Das ist aber weiter verfeinert worden.
Zudem gibt es die Möglichkeit, mit sogenannten Sensoren den Blutzuckerspiegel kontinuierlich zu messen. Dies ist für die große Anzahl der Diabetiker leider nicht verfügbar.

 

Beim Typ 2- gibt es einige neue Tablettenarten, deren endgültiger Wert nach wenigen Behandlungsjahren sicherlich noch nicht ganz abzuschätzen ist.
Viele grundlegende Dinge haben sich in den letzten Jahren eigentlich nicht geändert, aber wichtige Schritte die es für den Patienten, angenehmer machen. Seien es bessere Insulinnadeln oder bessere Blutzuckermessgeräte, die das tägliche Leben erleichtern und auch die Therapie verbessern.

 

Aber in der Ernährungsberatung haben sich für Diabetiker doch Veränderungen ergeben?
Ja, vielleicht so seit zehn, fünfzehn Jahren hat sich das sehr liberalisiert. Die Erkenntnis, dass eine gesunde ausgewogene Ernährung wie für alle Menschen auch für Diabetiker geeignet ist. Es gibt nur ganz wenige Einschränkungen, was zum Beispiel mit Zucker gesüßte Getränke angeht, die sollte man vermeiden. Außer bei Unterzuckerung.

 

Wie verhält es sich mit den Folgeerkrankungen von Diabetes?
Das ist ein weites Feld. Ich meine, man sollte den Menschen auch hier bei uns in der Klinik keine Angst einjagen und ihnen sagen: ‚Wenn du dich nicht kümmerst, wirst du diese und jene Folgeerkrankungen bekommen‘.
Sicherlich ist bekannt, dass bei Menschen die den Diabetes schlecht behandeln - und dann muss man auch sagen, die sich selber schlecht behandeln - das Risiko größer ist Folgeerkrankungen zu bekommen, als bei Menschen, wo die Behandlung gut läuft, die damit anders umgehen. Über Jahre – das betone ich eigentlich immer. Das sind keine Dinge die in Monaten entstehen. Wir versuchen, die Patienten eher positiv zu motivieren, sich um den Diabetes zu kümmern, um diese Erkrankungen zu vermeiden.

 

Die Folgeerkrankungen sind aber kein Mythos?
Wichtig sind besonders die Erkrankungen des Gefäßsystems unter anderem der Augen und der Nieren. Das sind aber Erkrankungen, die sich in der Regel erst nach vielen Jahren Diabetes einstellen.

 

Was genau ist die Aufgabe ihrer Klinik im Hinblick auf Diabetes?
Wir versuchen, den Menschen zu vermitteln, wie sie im Alltag Dinge besser umsetzten können, was Ernährung und körperliche Aktivität angeht. Wir sind uns allerdings darüber bewusst, dass das im Klinikalltag sehr viel einfacher ist, als im Berufsalltag. Diese Vermittlung ist aber eigentlich das wesentliche Ziel der Rehabilitation.

Und Sie gehen davon aus, dass die Menschen das dann tatsächlich in ihren Alltag mitnehmen können?
(lacht)Wie heißt es so schön: Die Hoffnung stirbt zuletzt!

in36.de

 

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